In einer soeben in der Fachzeitschrift PAIN publizierten Studie berichten Forschende der Universität Bern und des Inselspitals, Universitätsspital Bern über neue Erkenntnisse zur Schmerzentstehung bei Endometriose. Erstmals wurde die Rolle der körpereigenen, schmerzsteuernden Endocannabinoide (EC) in Gruppen von Patientinnen mit genau beschriebenen Schmerzbeschwerden näher untersucht. Es zeigte sich, dass die Schmerzen aus einer komplexen Wechselwirkung von Schmerz- und Entzündungssteuerung hervorgehen.

Endometriose ist eine chronische, entzündliche, durch Hormone gesteuerte Erkrankung, die Unfruchtbarkeit und starke Beschwerden durch zyklische Bauchschmerzen zur Folge hat. Schätzungsweise 10-15% der Frauen im gebärfähigen Alter sind von Endometriose betroffen. Weltweit werden über 170 Millionen Patientinnen vermutet. In der Schweiz leiden zwischen 190 000 und 280 000 Frauen an Beschwerden die auf eine Endometriose zurückzuführen sind. Trotz dieser hohen Zahlen ist die Entstehung der Endometriose noch erstaunlich unklar. Insbesondere die Steuerungsmechanismen der auftretenden Schmerzen sind wenig erforscht.

Endocannabinoide steuern den Schmerz

Von Bedeutung ist das Endocannabinoid 2-AG (2-Arachidonoylglycerol). Es bindet an bestimmte Rezeptoren an der Nervenzellmembran und steuert so das Schmerzempfinden. Wird eine hohe Konzentration von 2-AG gemessen, müssten die Schmerzen reduziert sein. In der Gruppe der Patientinnen mit sehr starken Schmerzen müsste 2-AG also fehlen, so die Erwartung.

Die Forschungsgruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Michael D. Mueller stellte jedoch fest, dass die Werte für 2-AG lokal in der Bauchhöhle gerade bei dieser Gruppe von Patientinnen erhöht waren. Erstautor Dr. Thomas Andrieu erläutert dazu: «Wir haben erstmals die lokale Konzentration von ECs in der Bauchhöhle gemessen und nicht, wie frühere Autoren, lediglich die Konzentration im (peripheren) Blut. Zudem haben wir ein genaues Schmerzprotokoll geführt und haben so einwandfrei einen Zusammenhang von starken Schmerzen im Bauchbereich und hohen EC-Konzentrationen nachweisen können.»

…aber ganz anders als vermutet!

Den Schlüssel zum Verständnis der Beobachtungen wurde in einem zweiten Bereich der Studienanlage gefunden: der Analyse der Gewebeentzündung, die mit Endometriose einhergeht. In ihrer Studie haben die Berner Forschenden nämlich sowohl die ECs, wie auch verschiedene Entzündungsmarker untersucht. Von den EC 2-AG ist bekannt, dass sie sowohl schmerzstillend, wie auch entzündungshemmend wirken. Bei den Patientinnen mit starken Schmerzen waren dann auch die Entzündungsmarker deutlich erhöht. Die Studienautoren kommen zum Schluss, dass ECs bestimmte Zellen des Immunsystems aktivieren, was zu Schmerzen infolge des Entzündungsprozesses führt. (Illustration in Beilage). So haben ECs sowohl eine schmerzstillende und zugleich, via ihre Rolle bei der Aktivierung des Immunsystems, eine schmerzfördernde Wirkung.

Endocannabinoide besser verstehen

Die Studie der Berner Forschungsgruppe hat einen plausiblen Zusammenhang von ECs und ihrer Rolle bei der Steuerung von Schmerzen und Gewebeentzündung nachgewiesen. Dieser Nachweis war unter anderem durch die Vernetzung der Arbeiten im Forschungsumfeld der sitem-insel möglich geworden. Erstautor Andrieu dazu: «Unser Forschungsansatz entstand durch den Austausch zweier Labors: Das eine spezialisiert in Endometriose und das andere führend in der Erforschung des Endocannabinoidsystems. Ich hatte die Chance mit einem führenden EC-Forscher zu auszutauschen und so entstand die Idee, das ECS zur Steuerung von Endometrioseschmerzen zu untersuchen.»

Motivation gross. Weg noch lang.

Die Studie hat einen klaren Zusammenhang zwischen den Schmerzen in der Bauchregion und den erhöhten EC-Werten sowie erhöhter Werte von Entzündungsmarkern nachgewiesen. Der Studienleiter Prof. Michael Mueller hält dazu fest: «Es ist möglich, dass mit den ECs eine Gruppe gefunden wurde, die eines Tages von therapeutischer Bedeutung sein könnte. Wir sind hoch motiviert, das komplexe Zusammenspiel von Prozessen der Schmerzregulation der Steuerung der Entzündung noch besser zu verstehen. Es ist höchste Zeit, dass wir Endometriose einfacher diagnostizieren und behandeln können.»

Experten:

  • Prof. Dr. med. Michael D. Mueller, Co-Klinikdirektor und Chefarzt Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital, Universitätsspital Bern
  • Dr. Thomas Andrieu, Forschungsleiter, Department for BioMedical Research (DBMR), Universität Bern

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Foto: Pexels / Ono Kosuki