Im Zeitraum kurz nach der Geburt haben insbesondere Neugeborene von diabetischen Müttern ein erhöhtes Risiko für einen zu niedrigen Blutzuckerspiegel. Eine mögliche Unterzuckerung und damit einhergehende Komplikationen können durch Gabe von Kolostrum, der dickflüssigen Vor- oder Erstmilch wirksam abgefangen werden. Sicherheitshalber sollten diabetische Schwangere die nährstoffreiche Kolostralmilch bereits am Ende der Schwangerschaft sammeln, damit sie den Neugeborenen direkt nach der Geburt zur Verfügung steht. Darüber informiert nun ein neues Infoblatt des Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) auf der Website „schwanger-mit-dir“.

Nach der Durchtrennung der Nabelschnur kommt es in den ersten zwei Lebensstunden nach der Geburt zu einem Abfall der Blutzuckerkonzentration bei Neugeborenen, die sich unter normalen Umständen von allein wieder stabilisiert. Bei Kindern von Müttern mit Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) kann diese kritische Phase jedoch in einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) münden. Um eine Hypoglykämie abzufangen, ist es empfohlen, diesen Kindern kurze Zeit nach der Entbindung die erste Nahrung zu geben, die gleichzeitig am verträglichsten ist: die Vormilch bzw. das Kolostrum. „Eine Kolostrumgabe innerhalb der ersten 30 bis 60 Minuten nach der Geburt vermag den Blutzuckerspiegel der Neugeborenen von diabetischen Müttern optimal zu regulieren. Weil viele Neugeborene zu diesem Zeitpunkt noch nicht bereit sind, selbst mit dem Stillen zu beginnen, können sie aktiv mit Kolostrum gefüttert werden“, erklärt Dr. Cornelia Hösemann vom Vorstand des Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF). „Steht der Mutter zu diesem Zeitpunkt keine frische Vormilch zur Verfügung, kann alternativ gut Kolostrum verwendet werden, das zuvor in der Schwangerschaft entnommen wurde.“ Bei Frauen mit Gestationsdiabetes ist die Wirkung von Muttermilch bzw. des oft gelbflüssigen, nahhaften Kolostrums besonders relevant, um den Blutzucker durch Glukosezufuhr zu stabilisieren. Der niedrigste Blutzuckerspiegel wird eine Stunde nach der Geburt vermutet.

Kolostrum nach Anleitung gewinnen und konservieren

Auch ein Diabetes mellitus Typ 1 oder 2 oder eine Erkrankung des Kindes, die eine kinderärztliche oder auch intensivmedizinische Behandlung nach Geburt notwendig macht, können Gründe sein, Kolostrum in der Schwangerschaft zu sammeln. „Schwangere, die planen, vor der Geburt Kolostrum zu konservieren, sollten sich professionell von Fachpersonen beraten lassen und sich an eine detaillierte Anleitung halten“, betont Dr. Konstantin Wagner, Mitglied im BVF und gynäkologischer Experte namens „@gynaeko.logisch“ bei der Info-Plattform Richtig WiSSEN. Um Schwangere über die Möglichkeit der Kolostrum-Gewinnung zu informieren, hat Dr. Wagner zusammen mit dem Berufsverband der Frauenärzte e.V. für die Informationskampagne „schwanger-mit-dir“ ein Aufklärungsblatt entwickelt. Die Information „Sammeln von Kolostrum in der Schwangerschaft“ gibt Tipps und Anleitung zum Vorgehen und klärt über die Hintergründe dieser präventiven Muttermilchgewinnung auf. Auch viele Geburtskliniken, Hebammenpraxen und gynäkologische Praxen halten Sets mit den benötigten Hilfsmitteln und Informationen bereit.

„Es wird empfohlen, erst nach der 37. Schwangerschaftswoche mit dem Sammeln zu beginnen – bis zu dreimal am Tag. Die gewonnene Kolostrum-Menge liegt dabei etwa zwischen 0,1 bis 0,9 Milliliter“, erläutert Dr. Wagner. Die mit Spritzen aufgefangenen Kolostrum-Tropfen können im Tiefkühlschrank eingefroren werden, sie sollten unbedingt mit dem Datum und dem Namen der Mutter beschriftet werden.

Das Gehirn des Neugeborenen ist für seine Funktionsfähigkeit auf eine kontinuierlich ausreichende Glukosezufuhr angewiesen. Besonders niedrige Blutglukosekonzentrationen können Symptome wie u.a. Zittern, Irritierbarkeit, Veränderungen der Atmung, Lethargie bis hin zu Krampfanfällen hervorrufen. Nach schweren symptomatischen Hypoglykämien bei Neugeborenen sind permanente Schäden möglich.

Bei rund 1 Prozent aller Schwangeren besteht bereits vor der Schwangerschaft ein Diabetes mellitus, bei ca. 4 Prozent aller Schwangeren kommt es im Verlauf der Schwangerschaft zu einem Gestationsdiabetes. Eine präpartale Kolostrumgewinnung kann auch in anderen Situationen eingesetzt werden, z.B. wenn eine schwangere Frau ein Kind mit einer Behinderung erwartet oder schwere chronische Erkrankungen in der Familie bekannt sind, welche die Wahrscheinlichkeit für einen erschwerten Stillstart erhöhen.

Weitere Informationen:

Informationskampagne „schwanger-mit-dir“
Informationsblatt: Sammeln von Kolostrum in der Schwangerschaft

Quellen:

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