Am 27. September hat der Bundesrat das neue Medizinforschungsgesetz verabschiedet. Experten des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ) schätzen die Konsequenzen für krebskranke Kinder insgesamt positiv ein. Der Abbau bürokratischer Hürden und verbesserte Genehmigungsprozesse könnten Kindern und Jugendlichen schnelleren und leichteren Zugang zu klinischen Studien und neuen Therapie- verfahren eröffnen, so die Hoffnung der Kinderonkologen. Die Experten geben zudem Empfehlungen, wie die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die medizinische Forschung mit und für Kinder künftig noch weiter verbessert werden sollten.

Das „Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg“ (KiTZ) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und der Universität Heidelberg (Uni HD).

Deutschland ist im internationalen Vergleich bislang eines der Schlusslichter, was frühe klinische Studien anbelangt, und bisher als Studienstandort nur wenig attraktiv. Dies gilt ganz besonders auch für klinische Studien, in denen neue Medikamente und medizinische Verfahren für Kinder geprüft werden.

Klinische Studien mit Kindern unterliegen in Deutschland besonders hohen bürokratischen Hürden. Was als Schutz gedacht ist, kann Kindern mit besonders schweren Erkrankungen wie Krebs jedoch zum Nachteil gereichen, erklärt Olaf Witt, Direktor am KiTZ, Leiter der Klinischen Kooperationseinheit pädiatrische Onkologie am DKFZ und leitender Oberarzt am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD): „Durch besonders langwierige Genehmigungs- und Vertragsprozesse konnten klinische Studien mit neuen Therapien für krebskranke Kinder und Jugendliche oft nur kurz oder auch gar nicht in Deutschland geöffnet werden. In einigen Fällen verzögerte sich der Start der Studien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern um Jahre. Diese Zeit haben krebskranke Kinder nicht!“

Das neue Medizinforschungsgesetz werde diese Situation deutlich verbessern, so die Einschätzung der Kinderonkologen am Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ). Beispielsweise beschleunigt es die Genehmigung von klinischen Studien, in denen routinemäßige Röntgenuntersuchungen eingesetzt werden. Diese mussten zuvor monatelange Genehmigungsprozesse durchlaufen. Darüber hinaus soll es spezialisierte Ethikkommissionen für Studien mit Kindern geben. Das neue Gesetz habe hier eine weitere positive Entwicklung auf den Weg gebracht: Im Juni dieses Jahres beschloss die Bundesärztekammer (BÄK) und der Arbeitskreis Medizinische Ethik-Kommissionen (AKEK), dass für multizentrische klinische Studien künftig ein einziges Votum einer Ethikkommission ausreichen soll. Zuvor konnten solche Studien von den Ethikkommissionen aller beteiligten Studienzentren bewertet werden, was zu erheblichen Verzögerungen führte. „Gerade bei den immer komplexer werdenden Studiendesigns, innovativen Therapieverfahren und kleinen Fallzahlen in der Kinderonkologie ist jedoch die Spezialisierung einer Ethikkommission sinnvoll“, so Witts Einschätzung.
Eine besondere Erleichterung für Familien mit krebskranken Kindern dürfte auch die neue Regelung zur dezentralen Durchführung von Studien sein. Künftig können die Medikamente unter bestimmten Voraussetzungen auch zu den jungen Studienteilnehmern nach Hause geschickt werden.

Stefan Pfister, Direktor am KiTZ, Abteilungsleiter am DKFZ und Kinderonkologe am UKHD, der auch gemeinsam mit Olaf Witt im Gesundheitsausschuss des Bundestages eine Stellungnahme zum Medizinforschungsgesetz abgab, bewertet den Entwurf ebenfalls positiv. Er sieht aber auch zentrale Punkte, die in dem Gesetz nicht berücksichtigt wurden: „Das betrifft beispielsweise Themen wie künstliche Intelligenz, Datenschutz und Tierschutz in der medizinischen Forschung. Es gibt derzeit keinen einheitlichen Bewertungsprozess für KI-Anwendungen in der Medizin. Eine überwiegende Mehrheit der Patienten möchte ihre Daten für Forschungszwecke zur Verfügung stellen, aber dafür gibt es ebenfalls keine Regelungen, wie das unbürokratisch gelingen kann. Insofern sollte auch über ein Recht auf Nutzung der eigenen Daten nachgedacht werden“, sagt Pfister.

Manche Punkte – so räumen die Kinderonkologen ein – seien durch das neue Gesetz nicht auf nationaler Ebene zu lösen, weil sie in den Zuständigkeitsbereich der einzelnen Bundesländer fielen. Dies gelte beispielsweise für alle „nicht-interventionellen“ Studien, bei denen es nicht um neue Therapien geht, sondern bereits vorhandene Daten ausgewertet oder neue Diagnoseverfahren geprüft werden (Registerstudien). Hier müsse man ebenfalls länderübergreifende Regelungen für Datenschutz auf den Weg bringen.

Manche internationalen Abkommen zum Schutz von Kindern müssten zudem dringend überarbeitet werden, betont Olaf Witt: „Minderjährige unterliegen einem besonderen Schutz in der medizinischen Forschung, der durch bestimmte internationale Richtlinien festgelegt ist. Dazu zählt beispielsweise die Deklaration von Helsinki, und auch in der europäischen Gesetzgebung die Clinical Trials Regulation. Diese sollten jedoch nicht dazu führen, dass Kinder mit lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Krebs nur erschwert und zeitlich verzögert Zugang zu Innovationen in der Medizin bekommen.“

Das Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ)

Das „Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg“ (KiTZ) ist eine kinderonkologische Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums, des Universitätsklinikums Heidelberg und der Universität Heidelberg. Wie das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, das sich auf Erwachsenenonkologie konzentriert, orientiert sich das KiTZ in Art und Aufbau am US-amerikanischen Vorbild der so genannten „Comprehensive Cancer Centers“ (CCC). Das KiTZ ist gleichzeitig Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Es verfolgt das Ziel, die Biologie kindlicher Krebs- und schwerer Bluterkrankungen wissenschaftlich zu ergründen und vielversprechende Forschungsansätze eng mit der Patientenversorgung zu verknüpfen – von der Diagnose über die Behandlung bis hin zur Nachsorge. Krebskranke Kinder, gerade auch diejenigen, für die keine etablierten Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen, bekommen im KiTZ einen individuellen Therapieplan, den Experten verschiedener Disziplinen in Tumorkonferenzen gemeinsam erstellen. Viele junge Patienten können an klinischen Studien teilnehmen und erhalten damit Zugang zu neuen Therapieoptionen. Beim Übertragen von Forschungserkenntnissen aus dem Labor in die Klinik übernimmt das KiTZ damit Vorbildfunktion.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ)

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 7 Standorte)
Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)

Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg: Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang

Das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für Patientinnen und Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 14.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit rund 2.500 Betten werden jährlich circa 86.000 Patientinnen und Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.100.000 Patientinnen und Patienten ambulant behandelt.
Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebshilfe (DKH) hat das UKHD das erste Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg etabliert. Ziel ist die Versorgung auf höchstem Niveau als onkologisches Spitzenzentrum und der schnelle Transfer vielversprechender Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik. Zudem betreibt das UKHD gemeinsam mit dem DKFZ und der Universität Heidelberg das Hopp Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), ein deutschlandweit einzigartiges Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter.
Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD) rund 4.000 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion. www.klinikum-heidelberg.de

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