Corona: Schulschließungen belasten Mütter besonders
• Studie der DAK-Gesundheit untersucht Homeschooling-Folgen
• Sorgen, Stress und Streit in vielen Familien
• Große Mehrheit der Eltern befürwortet schrittweise Schulöffnung
Sorgen, Stress und Streit: Die aktuellen Schulschließungen durch die Corona-Pandemie sorgen in Familien für verstärkten Druck. Etwa 90 Prozent der Eltern sind wegen der Auswirkungen der Krise besorgt. Fast jedes zweite Elternteil ist oft oder sehr oft gestresst. In jeder vierten Familie gibt es Streit. Insgesamt sind die Mütter mehr belastet als die Väter. Vor allem jüngere Schülerinnen und Schüler leiden unter dem ausschließlichen Lernen zu Hause. Das zeigt die bundesweite Befragung „Homeschooling in Corona-Zeiten“* der DAK-Gesundheit. Die repräsentative Erhebung der Krankenkasse ist die erste Studie zur Auswirkung des schulischen Lockdowns und wurde vom Forsa-Institut durchgeführt. Nach der Umfrage befürwortet mit 81 Prozent eine große Mehrheit der befragten Eltern eine schrittweise Wiedereröffnung der Schulen. Bei den Kindern sind es 62 Prozent.
„Unsere Studie zeigt sehr hohe Belastungen der Eltern“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Bei der wichtigen Diskussion um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise müssen wir auch bei der Bildung das Wohl und die Gesundheit der Familien im Blick haben. Mütter, Väter und Kinder brauchen angemessene Hilfen und Unterstützung. Wir müssen jetzt die Zeit nutzen, um die Möglichkeiten des Homeschooling zu verbessern. Der Kontakt zwischen Schule und Elternhaus muss gestärkt werden.“ Für die aktuelle DAK-Studie wurden im Mai 1.005 Erwachsene und jeweils ein zugehöriges Kind im Alter von zehn bis 17 Jahren befragt.
Etwa die Hälfte der Eltern fühlt sich während der Schulschließung fast täglich erschöpft. Jeweils etwa drei von zehn Befragten berichten von psychosomatischen Beschwerden wie Schlafproblemen oder Schmerzen. Mütter berichten häufiger von fast täglichen Bauch-, Rücken- oder Kopfschmerzen. Auch von Traurigkeit sind sie in der Zeit des Lockdowns stärker betroffen als Väter.
Laut Befragung ist das Homeschooling vor allem für jüngere Kinder emotional schwierig. Vier von zehn Elternteilen nehmen bei ihren Zehn- bis Zwölfjährigen ein verringertes Wohlbefinden wahr. 37 Prozent der jüngeren Kinder berichten selbst von häufigen Stresserfahrungen und 27 Prozent von Traurigkeit. Die Jüngsten in der Befragung erleben am meisten Streit. So geben es auch die Eltern an: Je jünger die Kinder, desto häufiger kommt es im Lockdown zu Konflikten in der Familie. Zudem fehlt den Jüngsten besonders der Kontakt und Austausch mit Gleichaltrigen, Freundinnen und Freunden.
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte sieht sich durch die aktuellen Umfrageergebnisse bestätigt. „Häufiger Streit in den Familien macht uns Pädiater hellhörig. Wir sind stark auf das Kindeswohl fokussiert und erleben in unseren Praxen täglich, wie sehr gerade jüngere Kinder unter innerfamiliären Streitigkeiten leiden“, sagt Präsident Dr. Thomas Fischbach. „Die Studie der DAK-Gesundheit ist in der aktuellen politischen Diskussion sehr hilfreich. Man kann nicht einfach folgenlos die Schule ins Wohnzimmer holen!“ Es sei ein wichtiges Ergebnis, dass die große Mehrheit der Eltern eine schrittweise Wiedereröffnung der Schulen befürworte.
In allen drei befragten Altersgruppen der Kinder gibt es einen Anteil von Jungen und Mädchen, denen das Homeschooling anscheinend nichts ausmacht. Bei den 16- bis 17-Jährigen ist dieser Anteil am größten: 37 Prozent der ältesten Kinder geben in der Befragung an, dass sie sich während der Schulschließungen besser fühlen als zu normalen Schulzeiten. Aber auch unter den Ältesten berichten 28 Prozent von einem schlechteren Wohlbefinden. Ein Viertel der 16- bis 17-Jährigen fühlt sich während der Schulschließungen erschöpft und müde. Über alle Altersgruppen hinweg meldet jedes dritte Kind psychosomatische Beschwerden: 22 Prozent Schlafprobleme mindestens mehrere Male pro Woche und 11 Prozent Bauch-, Rücken- oder Kopfschmerzen.
„Die Studienergebnisse überraschen uns, da die corona-bedingten Schulschließungen den Kindern und Jugendlichen einen eher entschleunigten Alltag beschert haben. Sport-, Musik- und andere Veranstaltungen mit festen Terminen fanden nicht statt“, sagt Professor Dr. Reiner Hanewinkel vom Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung in Kiel. Das IFT-Nord untersucht mit dem DAK-Präventionsradar seit vier Jahren in jährlichem Abstand die Kinder- und Jugendgesundheit in deutschen Klassenzimmern. „Durch den Lockdown müssten Stressquellen, die die Schüler sonst haben, minimiert sein. Es ist erstaunlich, dass trotzdem relativ viele Kinder von körperlichen Beschwerden berichten.“
Beim Lernen zu Hause zeigt sich in der Studie kein eindeutiges Meinungsbild. Die eine Hälfte der befragten Jungen und Mädchen ist durchaus einverstanden damit, zu Hause selbst zu lernen, die andere eher nicht. Vier von zehn Kindern kritisieren die Lernmaterialien. Bei der Begleitung des Homeschooling bekommen die Eltern von den Schülerinnen und Schülern deutlich bessere Noten als die Lehrkräfte. Mit der Unterstützung durch Mütter und Väter sind mehr Kinder hochzufrieden als mit der durch Lehrerinnen und Lehrer. Bei den Eltern ist das Meinungsbild zum Lernen zu Hause ähnlich gespalten: Etwas über die Hälfte ist beispielsweise sehr oder eher zufrieden, wie die Lehrkräfte ihr Kind unterstützten, während 43 Prozent sich deutlich mehr Unterstützung im Homeschooling gewünscht hätten.
Als drittgrößte Krankenkasse Deutschlands mit 5,6 Millionen Versicherten untersucht die DAK-Gesundheit in Studien und Umfragen regelmäßig die Kinder- und Jugendgesundheit. So beleuchtet zum Beispiel der DAK-Präventionsradar des IFT-Nord jährlich das Wohlbefinden und das Gesundheitsverhalten von Schülerinnen und Schülern. Mehr Informationen im Netz unter: www.dak.de/forschung
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