Messbar vorbereitet? Frühere Coronaviren könnten aktuell etwas Schutz bieten
Eine Analyse von Immunzellantworten auf das neue Coronavirus SARS-CoV-2 bei genesenen Patienten identifizierte die Regionen des Virus, auf die die Immunabwehr abzielt. Zusätzlich zeigt die Analyse aber auch Kreuzreaktivität mit anderen, normalerweise zirkulierenden Coronaviren auf, die einen gewissen Schutzfaktor darstellen könnte.
Die adaptive Immunität gegen das neue Coronavirus SARS-CoV-2 zu verstehen, ist ein wichtiges Element der Impfstoffentwicklung. Wie unser Körper sich gegen das Virus wappnet und ob die natürlichen Waffen des Immunsystems wirksam sind, hilft einerseits die Pathogenese von COVID-19 zu verstehen, andererseits bietet es eine Möglichkeit, Maßnahmen und ihre Wirksamkeit, wie etwa neue Impfstoffe, besser einzuschätzen.
Immunologen des La Jolla Institute for Immunology und der University of California in La Jolla (USA) wendeten bioinformatische Methoden an, um spezifische Peptide von SARS-CoV-2 zu identifizieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Ziele für die T-Zellen der Immunabwehr sein könnten.
Bioinformatische Ermittlung guter Ziele für T-Zellen: Peptide von SARS-CoV-2
Aus solchen möglichen Angriffszielen erstellten sie große Sammlungen (Megapools) mit 221 einzelnen Zielpeptiden, die für spezifische T-Zellen (HLA-Klasse II CD4+ T-Zellen) angreifbar sein könnten. Diese Sammlung entspricht der Vielzahl von Peptiden, die durch das Virus möglich sein könnten und überlappt daher auch mit Peptiden anderer, verwandter Viren.
Für eine gezieltere Analyse mit Blick auf SARS-CoV-2 erstellten sie einen Megapool für das Spike-Protein mit 253 einzelnen Peptiden als mögliche Angriffsziele für die Abwehr. Vergleichbar wurde auch ein Megapool für CD8+-T-Zellen erstellt.
Megapools aus möglichen Angriffszielen für die Immunabwehr
Um zu testen, ob SARS-CoV-2-spezifische CD4+- und CD8+-T-Zellen nach einer Infektion produziert worden waren, untersuchten die Forscher 20 erwachsene genesene Patienten, die keinen Krankenhausaufenthalt benötigt hatten und symptomfrei waren. Blutproben dieser Menschen wurden 20–35 Tage nach Symptombeginn entnommen. Zum Vergleich wurden auch Blutproben von gesunden Kontrollpersonen analysiert, die zwischen 2015 und 2018 entnommen worden waren.
Analyse von Immunzellantworten genesener COVID-19-Patienten und gesunder Kontrollen ohne Kontakt mit SARS-CoV-2
Bei 70 % der genesenen COVID-19-Patienten zirkulierten SARS-CoV-2-spezifische CD8+ T-Zellen, bei sogar 100 % der Teilnehmer fanden sich entsprechende CD4+ T-Zellen. CD4+ T-Zellantworten auf das Spike-Protein, das wesentliche Ziel der meisten Vakzin-Entwicklungen, waren robust und korrelierten mit der Höhe der Immunantwort gegen SARS-CoV-2, genauer gesagt: dem Anti-SARS-CoV-2 IgG- und IgA-Titer. Drei Proteine (M, Spike und N) verursachten jeweils 11 %–27 % der gesamten CD4+-Antwort. Für die Antworten der CD8+ T-Zellen waren besonders Spike-Protein und M-Protein verantwortlich.
Besonders spannend war auch die Analyse der Proben von gesunden Kontrollen aus der Zeit vor dem neuen Coronavirus. Hier entdeckten die Immunologen SARS-CoV-2-reaktive CD4+ T-Zellen bei immerhin 40 %–60 % der Menschen.
Gute Immunantwort nicht nur gegen das Spike-Protein – und Reaktion ohne vorherigen Kontakt mit dem neuen Virus
Die Daten deuten damit auf eine kreuzreaktive T-Zell-Erkennung zwischen zirkulierenden normalen Erkältungs-Coronaviren und dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2. Diese Kreuzreaktivität könnte somit einen leichten Schutz durch frühere Begegnungen gegenüber dem neuen Virus darstellen und eventuell manche milden Verlaufsformen erklären. Gleichzeitig bietet die Studie eine gute Einschätzung der Relevanz des Spike-Proteins zur Immunabwehr und weitere gute Kandidaten für die Vakzinentwicklung.
Referenz: [DOI: 10.1016/j.cell.2020.05.015 ]