Angeborener Abwehrmechanismus gegen HIV identifiziert: Körpereigenes Protein wirkt als antiviraler Faktor
Forschende der Ulmer Uniklinik haben mit einer Arbeitsgruppe des Walter Reed Army Institute of Research in den USA erstmals durch Einzelzellanalysen von Blutproben aus HIV-Patienten einen antiviralen Faktor identifiziert. Die Wissenschaft hat zwar bereits viele antivirale Mechanismen beschrieben, allerdings ist unklar, welche zellulären Faktoren das Humane Immundefizienz-Virus 1 (HIV-1) tatsächlich in Infizierten kontrollieren. Das Team zeigte, dass eine effektive Produktion des zellulären Proteins Prothymosin alpha mit einer verminderten Produktion von HIV-1 in den Blutzellen der Patientinnen und Patienten korreliert. Die Ergebnisse wurden in „Science Translational Medicine“ veröffentlicht.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten Patientenproben aus der akuten und chronischen Phase der HIV-Infektion. Mithilfe von Einzelzell-Transkriptom-Analysen ergründeten sie, wie die Expression von Genen in den Wirtszellen mit der Menge an viraler RNA in den einzelnen Zellen zusammenhängt. Die Ergebnisse legten nahe, dass das zelluläre Protein PTMA die Transkription und Replikation von HIV-1 einschränkt. Dies konnten die Ulmer Promovenden Alexandre Laliberté und Caterina Prelli Bozzo unter Leitung von Professor Frank Kirchhoff, einem der Leiter des Instituts für Molekulare Virologie am Universitätsklinikum Ulm, in Zellkulturexperimenten und mechanistischen Studien bestätigen. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Prothymosin alpha eine Schlüsselrolle in der körpereigenen Abwehr gegen HIV spielt“, erklärt Professor Frank Kirchhoff. Auf lange Sicht könnten sich daraus neue Ansatzpunkte für antivirale Therapien ergeben.
Die Hemmung der HIV-Transkription spielt eine wichtige Rolle bei der latenten Infektion von langlebigen, sogenannten Gedächtnis-T-Zellen. In dieser ruhenden Form ist das Virus für das Immunsystem und Medikamente kaum erkennbar, kann jedoch wieder aktiv werden, wenn die HIV-Therapie unterbrochen wird. Die latente HIV-Infektion von Gedächtnis-T-Zellen stellt daher ein großes Hindernis für die Heilung dar. Die Blockade von PTMA könnte die Aktivierung dieser ruhenden Viren ermöglichen, um sie angreifbar zu machen und Heilungsstrategien zu verbessern.
Die Forschungsarbeiten wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1279 „Nutzung des menschlichen Peptidoms zur Entwicklung neuer antimikrobieller und anti-Krebs Therapeutika“ und von der Baden-Württemberg Stiftung gefördert. Kooperationspartner waren die Gruppen von Dr. Rasmi Thomas (Walter Reed Army Institute of Research, Silver Springs, Maryland, USA) und Professorin Beatrice H. Hahn (University of Pennsylvania, Philadelphia, USA).
Originalpublikation:
Aviva Geretz, Philip K. Ehrenberg, Robert J. Clifford, Alexandre Laliberté, Caterina Prelli Bozzo, Daina Eiser, Gautam Kundu, Lauren K. Yum, Richard Apps, Matthew Creegan, Mohamed Gunady, Shida Shangguan, Eric Sanders-Buell, Carlo Sacdalan, Nittaya Phanuphak, Sodsai Tovanabutra, Ronnie M. Russell, Frederic Bibollet-Ruche, Merlin L. Robb, Nelson L. Michael, Julie A. Ake, Sandhya Vasan, Denise C. Hsu, Beatrice H. Hahn, Frank Kirchhoff, Rasmi Thomas. Single-cell transcriptomics identifies prothymosin α restriction of HIV-1 in vivo. Sci. Transl. Med.15, eadg0873 (2023).
DOI: https://doi.org/10.1126/scitranslmed.adg0873
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