Chronische Darmentzündung: Therapieerfolg von Biologikum vorhersagen
Ein internationales Team um Forschende des Exzellenzclusters PMI hat Biomarker gefunden, die am Anfang einer anti-TNF-Alpha-Therapie anzeigen, ob diese anschlagen wird.
Bei chronisch-entzündlichen Darmentzündungen (CED), wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa, führt eine gestörte Immunantwort zu einer Entzündung des Magen-Darm-Trakts, die in Schüben immer wieder aufflammt. CED-Erkrankte leiden unter chronischem Durchfall, Fieber und Schmerzen und ihre Lebensqualität ist stark beeinträchtigt. In Deutschland sind rund 320.000 Menschen betroffen. Eine etablierte Therapie bei CED ist die Behandlung mit Antikörpern, die sich an entzündungsfördernde Botenstoffe des Immunsystems binden und so deren Funktion blockieren. Zu der Gruppe dieser sogenannten Biologika zählen auch TNF-Alpha-Antikörper (Anti-TNF-Alpha).
Doch rund 40 % der Patientinnen und Patienten sprechen nicht auf diese Biologika-Therapien an. Außerdem können schwere Nebenwirkungen auftreten. Forschende des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) haben molekularbiologische Marker gefunden, mit deren Hilfe man zu Beginn der Behandlung erkennen kann, ob die Anti-TNF-Alpha-Therapie anschlagen wird. Ihre Ergebnisse haben sie gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und Kollegen vor kurzem im Fachjournal Genome Medicine veröffentlicht.
Veränderte Genaktivitäten als Marker für Therapierfolg
Für ihre Studien haben die Teams um Professor Philip Rosenstiel, Direktor des Instituts fürs klinische Molekularbiologie (IKMB) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und Professor Stefan Schreiber, Direktor der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) und des IKMB, das Blut von CED-Patientinnen und Patienten, die mit einem anti-TNF-Alpha-Antikörper behandelt worden sind, analysiert – und zwar vor Beginn der Therapie und zu verschiedenen Zeitpunkten ab Therapiebeginn. Mit modernsten Sequenzier- und Analysemethoden haben sie zum einen die Genexpression untersucht, also, welche Gene in den Zellen in welchem Umfang aktiv waren, und zum anderen die DNA-Methylierung – das ist eine chemische Veränderung des Erbguts, die ebenfalls Auswirkungen auf die Genaktivitäten hat und in der Regel länger bestehen bleibt.
„Zwei Wochen nach Therapiebeginn konnten wir eine deutliche Veränderung im Muster der Genexpression und Methylierung feststellen, die spezifisch nur bei sogenannten Respondern vorkamen, also den Patientinnen und Patienten, die später auf die Therapie ansprachen“, erklärt die Erstautorin der Arbeit, Dr. Neha Mishra, Bioinformatikerin am IKMB und Mitglied des Exzellenzclusters PMI. Bei den Patientinnen und Patienten, die dieses Muster zu diesem Zeitpunkt nicht aufwiesen, war auch später die Therapie nicht erfolgreich.
„Wir haben die Analysen anschließend mithilfe einer zweiten, unabhängigen Patientenkohorte bestätigt – dadurch sind die gewonnen Daten besonders verlässlich“, betont Mishra. Das Team fand rund 4000 Gene, die bei den Respondern in ihrer Aktivität verändert waren. In der klinischen Anwendung wäre es zu zeitaufwendig und teuer die Blutproben der Patientinnen und Patienten nach all diesen Genen zu untersuchen. Daher haben die Forschenden daraus Gengruppen, insgesamt rund 50 Gene, identifiziert, die sich besonders gut als Biomarker eignen könnten, also als Werte, mit denen sich in der klinischen Anwendung das Therapieansprechen vorhersagen lässt.
„Unsere Erkenntnisse sind ein erster Schritt für einen echten präzisionsmedizinischen Ansatz in der Behandlung von CED Patientinnen und Patienten. Die Biomarker zielen darauf ab, dass Ärztinnen und Ärzte in der Zukunft eine individuelle, molekular begründete Entscheidung für eine gezielte Therapie treffen können“, betont Rosenstiel. „Dadurch könnten Patientinnen und Patienten, denen die anti-TNF-Alpha-Therapie nicht helfen wird, diese frühzeitig abbrechen und so unnötige Nebenwirkungen vermeiden und schneller eine für sie geeignete Therapie finden. Auch könnten so dem Gesundheitssystem unnötige Kosten erspart bleiben“, so Rosenstiel weiter.
Bereits jetzt in klinischer Erprobung
Im Kieler Exzellenzzentrum für Entzündungsmedizin (CCIM) am UKSH ist dieser Ansatz bereits in einer ersten klinischen Erprobung. „Patientinnen und Patienten, die bei uns mit TNF-Alpha-Antikörpern behandelt werden, werden seit Neuestem im Rahmen einer Studie zwei Wochen nach Therapiebeginn auf diese Muster in der Genaktivität untersucht. Die Ergebnisse besprechen wir fachübergreifend und entscheiden gemeinsam, ob angesichts der vorliegenden Daten die Behandlung weiterhin zielführend ist und fortgesetzt werden sollte“, erklärt PMI-Sprecher Prof. Stefan Schreiber. „Unsere Patientinnen und Patienten profitieren also bereits jetzt direkt von den neusten Erkenntnissen aus der Forschung des Exzellenzcluster PMI. Gleichzeitig können wir auf diese Weise die neuen Biomarker in der Praxis erforschen und die Analysemethode so optimieren, dass sie hoffentlich zukünftig regulär klinisch eingesetzt werden kann“, so Schreiber weiter.
Originalpublikation:
Mishra, N., Aden, K., Blase, J.I., N. Baran, D. Bordoni, F. Tran, C. Conrad, D. Avalos, C. Jaeckel, M. Scherer, S.B. Sörensen, S. Overgaard, B. Schulte, S. Nikolaus, G. Rey, G. Gasparoni, P.A. Lyons, J.L. Schultze, J. Walter, V. Andersen, SYSCID Consortium, E. T. Dermitzakis, S. Schreiber & P. Rosenstiel. Longitudinal multi-omics analysis identifies early blood-based predictors of anti-TNF therapy response in inflammatory bowel disease. Genome Med 14, 110 (2022). https://doi.org/10.1186/s13073-022-01112-z
Über den Exzellencluster PMI
Der Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) wird von 2019 bis 2025 durch die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert (ExStra). Er folgt auf den Cluster Entzündungsforschung „Inflammation at Interfaces“, der bereits in zwei Förderperioden der Exzellenzinitiative (2007-2018) erfolgreich war. An dem neuen Verbund sind rund 300 Mitglieder in acht Trägereinrichtungen an vier Standorten beteiligt: Kiel (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Muthesius Kunsthochschule, Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) und Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik), Lübeck (Universität zu Lübeck, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein), Plön (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) und Borstel (Forschungszentrum Borstel – Leibniz Lungenzentrum).
Ziel ist es, die vielfältigen Forschungsansätze zu chronisch entzündlichen Erkrankungen von Barriereorganen in ihrer Interdisziplinarität verstärkt in die Krankenversorgung zu übertragen und die Erfüllung bisher unbefriedigter Bedürfnisse von Erkrankten voranzutreiben. Drei Punkte sind im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Behandlung wichtig und stehen daher im Zentrum der Forschung von PMI: die Früherkennung von chronisch entzündlichen Krankheiten, die Vorhersage von Krankheitsverlauf und Komplikationen und die Vorhersage des individuellen Therapieansprechens.
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