Frauen 80 plus: Gesundheitsförderung und Prävention für eine meist übersehene Bevölkerungsgruppe
Ein Forscherinnen-Team der Hochschule Fulda untersucht die geschlechterspezifische Gesundheitslage und das Gesundheitsverhalten von Frauen 80 plus im Kontext ihrer Lebenswelten und Biografien mit dem Ziel, mögliche Ansätze für Gesundheitsförderung und Prävention herauszuarbeiten. Im Fokus hat es speziell Frauen im urbanen Raum.
Sie sind eine Gruppe, deren Gesundheitsrisiko hoch ist und die dennoch kaum Aufmerksamkeit erhält: Frauen, die älter sind als 80 Jahre, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, sich einsam zu fühlen und sozial isoliert zu sein. Sie sind stärker von Armut betroffen als Männer. Krankheiten, wie etwa Herzerkrankungen werden bei ihnen oft fehldiagnostiziert, weil die typischen Symptome auf Untersuchungen an Männern basieren. Hinzu kommt: Negative Vorstellungen von Alter führen dazu, dass Beschwerden nicht ernst genommen und als altersbedingt abgetan werden.
Public Health, kritische Gerontologie, Gendertheorie in Verbindung
„Erklären lässt sich das mit der strukturellen Verankerung von Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern, aber auch mit der sozialen Konstruktion von Alter und Geschlecht“, sagt Professorin Dr. Daphne Hahn, die an der Hochschule Fulda forscht und lehrt. Doch solche Alters- und Geschlechterstereotype führten zu einem Mangel an Behandlung und Prävention. „Es ist notwendig, gesundheitsfördernde und präventive Konzepte zu entwickeln, die sich spezifisch an ältere Frauen richteten.“ Dafür werde Forschung benötigt, die die Biografien der Frauen, ihre Gesundheitsbedürfnisse, ihr Gesundheitsverhalten und ihre Lebensumstände einbezieht. Bislang fehle es jedoch an Informationen zur Entwicklung passender Angebote. Denn auch in der Forschung seien Frauen über 80 Jahre die bislang am wenigsten betrachtete Gruppe – und das, obwohl sie eine wachsende Bevölkerungsgruppe seinen und zum Teil noch eine vergleichsweise hohe Lebenserwartung hätten. „Mangelndes Interesse an Frauen jenseits der 80 ist ein weltweites Phänomen, aber wenig zukunftsorientiert“, stellt die Wissenschaftlerin fest.
Qualitatives Forschungsdesign: biografische Interviews
Im Forschungsprojekt mit dem Kurztitel GesuWelt wollen Professorin Hahn und ihr Team daher mit etwa 40 Interviewpartnerinnen semistrukturierte narrative Interviews durchführen, die den Fokus auf die Biografien und die lebenslang erlernten und erlebten Gesundheitsrealitäten von über 80-jährigen Frauen legen. Die Interviews sollen es ermöglichen, analytisch in die Tiefe zu gehen und exemplarisch unterschiedliche Lebenswelten zu untersuchen. Aus einer sozial konstruktivistischen Perspektive, die das Älterwerden primär als gesellschaftliches Konstrukt betrachtet, werden die Wissenschaftlerinnen die Interviews analysieren. Mögliche Ansätze für gesundheitsförderliche und präventive Maßnahmen wollen sie dann zusammen mit den Frauen entwickeln. Was ist sinnvoll? Was funktioniert schon? Das soll gemeinsam herausgearbeitet werden.
Zwei Großstädte, Berlin und Hamburg, im Fokus
Da in den nächsten Jahren nicht nur die Zahl älterer Menschen zunehmen wird, sondern auch immer mehr Menschen vom Land in die Stadt ziehen, richtet das Projekt den Blick darauf, wie sich die Lebenswelt älterer Frauen in urbanen Räumen gestaltet und wie Faktoren wie Armut, Einsamkeit, soziale Netzwerke ihre Gesundheitsrealitäten beeinflussen. In Berlin und Hamburg werden die Wissenschaftlerinnen daher die Interviews durchführen. Um Frauen unterschiedlicher sozialer Herkunft, Bildung sowie aus unterschiedlichen Partnerschafts-, Familien- und Wohnformen einzubinden, kooperieren sie mit verschiedenen Frauenprojekten und Betreuungseinrichtungen. Da Frauen über 80 von der deutschen Teilung geprägt sind, wird die Untersuchung auch diese Differenzen berücksichtigen.
„Weil die Gruppe sehr heterogen ist, ist eine individuelle, exemplarische Untersuchung im Kontext der Lebenswelten essenziell“, betont Professorin Hahn. „Wir werden die Studienergebnisse zwar nicht generalisieren können, aber wir werden Anregungen und Vorschläge für Frauen in vergleichbaren sozialen und ökonomischen Kontexten entwickeln können.“
Titel des Projekts: Gesundheitsverhalten, Förderung und Prävention in den Lebenswelten älterer Frauen (80+): Eine biografische Untersuchung (GesuWelt)
Laufzeit: Januar 2021 bis Dezember 2023
Gefördert durch: GKV Spitzenverband und Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
Foto: Pexels/ Andrea Piacquadio