G-BA empfiehlt Coaching-Programm bei Brustkrebsrisiko als Regelversorgung
Decision Coaching für BRCA1/2-Mutationsträgerinnen
Der Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) hat Mitte Dezember 2023 das Projekt „EDCP-BRCA – Evaluation eines Decision Coaching Programms zur Entscheidungsunterstützung im Rahmen der Prävention bei BRCA1/2-Mutationsträgerinnen“ zur Implementierung in die Regeversorgung empfohlen. Unter der Federführung der Uniklinik Köln und der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln wurde das Programm in den vergangenen vier Jahren bundesweit in sechs Zentren des Deutschen Konsortiums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs durchgeführt. Nach Prüfung des Ergebnisberichtes kam der Innovationsausschuss zu der Auffassung, dass die erprobten Entscheidungsunterstützungsmaßnahmen das Potential haben, einen Beitrag zur Verbesserung der Versorgung von BRCA1/2– Mutationsträgerinnen zu leisten.
In Deutschland erkranken jährlich rund 70.000 Frauen an Brustkrebs sowie knapp 7.800 Frauen an Eierstockkrebs. Bei ca. 30 Prozent der Patientinnen liegt eine familiäre Häufung für Brust- und Eierstockkrebs vor. Rund 25 Prozent dieser Frauen tragen eine pathogene BRCA1- oder BRCA2-Mutation. Frauen mit dieser Mutation haben ein deutlich erhöhtes kumulatives Risiko, an Brustkrebs und/oder Eierstockkrebs zu erkranken. Die betroffenen Frauen haben verschiedene präventive Handlungsoptionen: Sie können beispielsweise das gesunde Brustdrüsengewebe sowie beide Eierstöcke/Eileiter prophylaktisch entfernen lassen oder an dem intensivierten Früherkennungsprogramm für die Brust teilnehmen. Für diesen Entscheidungsprozess ist es enorm wichtig, dass die Betroffenen gut beraten werden.
Das Projekt zielte darauf ab, die Entscheidungsfindung der Frauen durch ein strukturiertes, modulares und bedarfsadaptiertes Coaching-Programm zu unterstützen. Als inhaltliche Grundlage wurde eine zuvor vom Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE) zusammen mit dem Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs entwickelte evidenz-basierte Entscheidungshilfe verwendet. Als Innovation wurden spezialisiert Pflegende nach einer strukturierten Fortbildung aktiv in die Beratung der Ratsuchenden eingebunden. So sollte das Verständnis für Nutzen und Risiken der angebotenen Präventionsstrategien erhöht werden. Gleichzeitig sollten sich die Betroffenen über ihre eigenen Wertvorstellungen und Präferenzen im Zusammenhang mit der zu treffenden Entscheidung klarwerden. Die Entwicklung und Evaluation des Coaching-Programms erfolgte im Rahmen einer multizentrischen randomisiert-kontrollierten Studie durch Univ.-Prof. Dr. Stephanie Stock vom Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE), einer interdisziplinären Einrichtung der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln in Kooperation mit Univ.-Prof. Dr. Rita Schmutzler und Prof. Dr. Kerstin Rhiem vom Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs der Uniklinik Köln.
Die Studie konnte anhand der Ergebnisse zeigen, dass das Coaching-Programm für die Betroffenen hilfreich war: „Frauen in der Interventionsgruppe nahmen eine signifikant aktivere Rolle im Entscheidungsprozess ein als Frauen in der Kontrollgruppe. Die Zufriedenheit mit der Rolle im Entscheidungsprozess war in beiden Gruppen hoch, allerdings zeigte die Interventionsgruppe eine signifikant höhere Zufriedenheit als die Kontrollgruppe. Ebenso war das Wissen der Frauen in der Interventionsgruppe zu den Präventionsoptionen signifikant besser und sie entschieden sich schneller für eine der möglichen Handlungsoptionen“, sagt Univ.-Prof. Dr. Stephanie Stock. Der Entscheidungskonflikt konnte durch die Intervention somit reduziert werden und die durch den Genbefund ausgelöste Belastung sank in der Interventionsgruppe zügiger ab.
Dank des positiven Bescheides des Innovationsausschusses kann das Programm nun in die bereits bestehenden Beratungsabläufe der spezialisierten Zentren für Familiären Brust- und Eierstockkrebs des Deutschen Konsortiums integriert werden. „Darüber freuen wir uns natürlich sehr“, sagt Univ.- Prof. Dr. Rita Schmutzler, Leiterin des Zentrums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs an der Uniklinik Köln und Leiterin des Konsortiums. „Die privaten Krankenversicherungen haben diese Leistung aufgrund der guten Ergebnisse bereits vor dem Bescheid des G-BA in den Versorgungsvertrag ab 2024 aufgenommen – im kommenden Jahr werden wir dann auch mit den gesetzlichen Krankenkassen sprechen und hoffen, dass uns eine Aufnahme in die Verträge zur Besonderen Versorgung gelingt, damit möglichst viele Frauen in dieser belastenden Situation diese wichtige Beratung erhalten können“.
Konsortium der Studie:
Konsortialführung: Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln (Kommissarische Leitung Prof. Dr. Stephanie Stock) und Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs der Uniklinik Köln (Prof. Dr. Rita Schmutzler).
Konsortialpartner: Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Uniklinik Köln (Prof. Dr. Christian Albus), Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Prof. Dr. Anke Steckelberg) und Bergische Universität Wuppertal (Prof. Dr. Juliane Köberlein-Neu).
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