Geschlechtsspezifisch höheres Sterberisiko: Ein Protein ist Ursache für schwereren Verlauf von Krebs bei Männern
Auffällig viele lebensbedrohliche Krankheiten verlaufen bei Männern schwerer als bei Frauen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die durch SARS-CoV-2 verursachte COVID-19-Erkrankung. Aber auch bei Krebserkrankungen tragen Männer ein deutlich höheres Risiko für einen schweren Verlauf. Eine molekulare Ursache für diesen Unterschied zwischen den Geschlechtern hat nun ein hat Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) im Rahmen eines von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojektes entdeckt.
Männer haben gegenüber Frauen ein auffällig erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf von lebensbedrohenden Krankheiten wie etwa Krebs. So versterben in Deutschland jährlich über 130.000 Patienten aber nur etwa 100.000 Patientinnen an Krebserkrankungen.
Umfangreiche epidemiologische Studien der letzten Jahre ergaben, dass das erhöhte Risiko von Männern für schwere Verläufe einer Krebskrankheit keineswegs allein auf einen riskanteren Lebensstil beispielsweise durch deren im Mittel höheren Tabak- beziehungsweise Alkoholkonsum zurückzuführen ist.
Deshalb müssen auch Lebensstil-unabhängige Faktoren eine Rolle spielen. Umso wichtiger ist es, Parameter zu identifizieren, die so ein geschlechtsabhängiges Fortschreiten der Krankheit verursachen, und daraus geeignete Schlüsse für die Behandlung von Patienten zu ziehen.
Ein Protein als Ursache
Ein Forschungsteam um Prof. Dr. rer. nat. Achim Krüger vom Institut für Experimentelle Onkologie und Therapieforschung am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM) hat nun in einem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojekt einen Faktor gefunden, der diesen Geschlechterunterschied erklären und zudem auch die Risikodiagnostik für den klinischen Verlauf verbessern könnte.
Auf der Basis von Patientenkohorten aus Deutschland und Kanada fand das Forschungsteam heraus, dass Männer, deren Blut eine erhöhte Konzentration des körpereigenen Proteins TIMP1 aufweist, ein deutlich erhöhtes Risiko haben, an Krebs zu versterben.
Weitergehende Analysen zeigten, dass der Anstieg von TIMP1 eine Verstärkung der Lebermetastasierung zur Folge hat, die bei Bauchspeicheldrüsenkrebs, Darmkrebs und beim Melanom zum Tode führt.
Erhöhter Wert zeigt hohes Risiko
„TIMP1 ist nicht bei allen Männern erhöht, aber die Entdeckung von TIMP1 als im Blut nachweisbaren Risikoparameter ermöglicht es der Klinik nun, diejenige Gruppe von Männern mit einem hohen Risiko für die Bildung lebensbedrohlicher Lebermetastasen zu identifizieren“, so Krüger.
„Aus früheren Studien kennen wir bereits die molekularen Zusammenhänge, wie TIMP1 die Lebermetastasierung fördert“, ergänzt Krüger. „In Verbindung mit unserer aktuellen Entdeckung bieten sich jetzt neue Möglichkeiten für eine personalisierte Medizin mit optimierten Diagnose- und zielgerichteten Therapieoptionen.“
Die Ergebnisse des Münchener Forschungsteams wurden jüngst im renommierten Journal of Experimental Medicine veröffentlicht.
Im nächsten Schritt möchte Achim Krüger mit seiner Arbeitsgruppe auch den molekularen Ursachen der männerspezifisch veränderten Bildung von TIMP1 weiter auf den Grund gehen.
Ergänzung zur schematischen Abbildung:
Das Schema zeigt den Unterschied der TIMP1-Spiegel zwischen den Geschlechtern und die Folgen beim Krankheitsverlauf: Bei Personen männlichen Geschlechts (links) sind bei Gesunden die TIMP1-Spiegel relativ niedrig und steigen bei Patienten, die ein hohes Verlaufsrisiko haben stark an. Bei Personen weiblichen Geschlechts (rechts) liegen bei Gesunden höhere TIMP1-Spiegel vor, die im Fall der Krebskrankheit nicht weiter ansteigen. Der männerspezifische Anstieg verursacht ein deutlich höheres Risiko, sowohl für die Metastasierung des Tumors in die Leber als auch für das frühere Versterben.
Wilhelm Sander-Stiftung: Partner innovativer Krebsforschung
Die Wilhelm Sander-Stiftung hat das Forschungsprojekt in zwei Förderphasen mit insgesamt rund 400.000 Euro unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 250 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz ausbezahlt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.
Über die Technische Universität München (TUM)
Die Technische Universität München (TUM) ist mit mehr als 600 Professorinnen und Professoren, 45.000 Studierenden sowie 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine der forschungsstärksten Technischen Universitäten Europas. Ihre Schwerpunkte sind die Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und Medizin, verknüpft mit den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die TUM handelt als unternehmerische Universität, die Talente fördert und Mehrwert für die Gesellschaft schafft. Dabei profitiert sie von starken Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft. Weltweit ist sie mit dem Campus TUM Asia in Singapur sowie Verbindungsbüros in Brüssel, Mumbai, Peking, San Francisco und São Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinder wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und Rudolf Mößbauer geforscht. 2006, 2012 und 2019 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings gehört sie regelmäßig zu den besten Universitäten Deutschlands. www.tum.de
Originalpublikation:
Hermann CD, Schoeps B, Eckfeld C, Munkhbaatar E, Kniep L, Prokopchuk O, Wirges N, Steiger K, Häußler D, Knolle P, Poulton E, Khokha R, Grünwald BT, Demir IE, Krüger A. TIMP1 expression underlies sex disparity in liver metastasis and survival in pancreatic cancer. J Exp Med. 2021 Nov 1;218(11):e20210911. doi: 10.1084/jem.20210911. Epub 2021 Sep 17. PMID: 34533565.
https://doi.org/10.1084/jem.20210911
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