Innsbrucker Langzeitstudie zu COVID-19 mit erfreulicher Zwischenbilanz: Schwer Erkrankte profitieren von langfristiger und interdisziplinärer Nachsorge
- Erste prospektive Beobachtungsstudie mit 86 hospitalisierten COVID-19 PatientInnen
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit aus Pneumologie, Infektiologie und Radiologie ermöglicht systematische Bewertung der Folgeschäden an der Lunge
- Ein Großteil der Lungenveränderungen ist reversibel
Ein Team der Innsbrucker Univ.-Klinik für Innere Medizin II (Direktor: Günter Weiss) hat in einer prospektiven Studie erstmals die Langzeitfolgen von COVID-19 an stationär versorgten PatientInnen untersucht. Sechs Wochen nach Entlassung reichen die Beobachtungen von leichten bis mittelgradigen Atemwegs-Symptomen bis hin zu anhaltenden Auffälligkeiten des Lungengewebes. Die StudienleiterInnen betonen die Notwendigkeit einer strukturierten Nachsorge bei schwer Erkrankten.
Innsbruck, am 07.09.2020: Mit einer an der Medizinischen Universität Innsbruck durchgeführten prospektiven Beobachtungsstudie zum Verlauf einer COVID-19 Infektion bei hospitalisierten PatientInnen liegen nun erstmals Erkenntnisse zu möglichen Langzeitfolgen vor. Die entscheidenden Ergebnisse werden heute als „late breaking news“ beim Kongress der European Respiratory Society (ERS) präsentiert.
Systematische Datenerhebung
In die Studie eingeschlossen waren 86 PatientInnen – 70 Prozent Männer – zwischen 50 und 70 Jahren, die aufgrund ihrer Infektion mit SARS-CoV-2 an der Uniklinik Innsbruck, im Krankenhaus Zams und im Reha-Zentrum Münster in klinisch-therapeutischer Behandlung waren. Die ProbandInnen waren im Schnitt übergewichtig bis adipös, 44 Prozent waren vormals RaucherInnen, und – wie international bereits beobachtet – ein wesentlicher Teil der StudienteilnehmerInnen hatte kardiovaskuläre Vorerkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes oder Hypercholesterinämie. Anhand einer COVID-19 spezifischen strukturierten Datenerhebung mittels detaillierter Anamnese, Laboruntersuchung, Lungenfunktionstests, Echokardiographie und bildgebender Untersuchungen der Lunge mittels Computertomographie (CT) war es mit dieser Studie unter der Federführung der LungenspezialistInnen Judith Löffler-Ragg, Thomas Sonnweber und Ivan Tancevski möglich, eine erste valide Beschreibung von Langzeitfolgen durch das neue Corona-Virus zu erzielen.
Langanhaltende Symptome
„55 Prozent der hospitalisierten COVID-19-PatientInnen zeigten auch sechs Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus anhaltende körperliche Beeinträchtigungen“, beschreibt Löffler-Ragg ein zentrales Ergebnis der Studie. An erster Stelle liegt mit knapp 50 Prozent die Kurzatmigkeit bei Belastung, 15 Prozent der Betroffenen klagten über andauernden Husten. Grundsätzlich beschreiben die untersuchten PatientInnen eine überdurchschnittlich lange Genesungsphase, aber erfreulicherweise bessert sich die Intensität der Beschwerden im Verlauf deutlich.
In Zusammenarbeit mit dem Team um den Radiologen Gerlig Widmann, zeigten sich in den CT-Untersuchungen sechs Wochen nach Krankhausentlassung bei 88 Prozent der PatientInnen anhaltende leicht- bis mittelgradige strukturelle Veränderungen der Lunge, Diese bildeten sich allerdings im Zeitverlauf bei den meisten PatientInnen deutlich zurück. Es gibt derzeit keine Hinweise auf fortschreitende Lungenschäden, wie etwa zunehmende Vernarbungen. Ob die Veränderungen in der Lunge und die damit verbundene Einschränkung der Lungenfunktion vollständig abklingen werden, ist aktuell noch nicht zur Gänze zu beantworten und wird in weiteren Untersuchungen analysiert werden.
Bedarf an intensiver und spezifischer Therapie
Die engmaschige Anbindung des Studienzentrums an das Reha-Zentrum Münster, wo IntensivpatientInnen nachbetreut werden, macht auch den Mehrwert einer strukturierten, langandauernden Rehabilitation sichtbar. „Wir konnten in unserer Langzeitstudie sehen, dass sich Patientinnen und Patienten nur langsam erholen. Erste Erfahrungen zeigen, dass die bei der Entlassung aus der Klinik diagnostizierten Beeinträchtigungen der Lungenfunktion durch eine langfristige und spezifische Rehabilitationstherapie deutlich verbessert werden können. Entsprechend dürfte es sich bei einem Großteil der Lungenveränderungen um reversible Prozesse handeln“, schließt Sabina Sahanic aus dem Studienteam, die die Ergebnisse beim ERS-Kongress vorstellt.
Den weiteren Genesungsverlauf werden die Innsbrucker MedizinerInnen nach sechs und nach zwölf Monaten durch Nachfolgeuntersuchungen analysieren.
Forschungsprojekt:
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Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 2.000 MitarbeiterInnen und ca. 3.300 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden.
Seit Herbst 2011 bietet die Medizinische Universität Innsbruck exklusiv in Österreich das Bachelorstudium „Molekulare Medizin“ an. Ab dem Wintersemester 2014/15 kann als weiterführende Ausbildung das Masterstudium „Molekulare Medizin“ absolviert werden.
Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck ist im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.