Migräne vorbeugend mit Antikörpern behandeln
Für Migränepatientinnen und -patienten gibt es gute Nachrichten aus der Arzneimittelforschung. Die wissenschaftliche Suche nach immer besser passenden Medikamenten mündet in eine Alternative: Sogenannte monoklonale Antikörper sollen Migräneattacken vorbeugen und damit das bisherige Angebot an Migräneprophylaktika wie Betablockern, Antiepileptika und auch bestimmten Antidepressiva erweitern. Hintergrund: Während der Migräneattacke werden bestimmte Botenstoffe ausgeschüttet, welche die Blutgefäße erweitern. Dies kann nunmehr mit den monoklonalen Antikörpern unterbunden werden und das bei einer auch im Vergleich zu den etablierten Prophylaxen sehr guten Verträglichkeit.
An diese prophylaktische Migränetherapie sind allerdings strenge Voraussetzungen gebunden, weiß die Apothekerkammer Niedersachsen. Betroffene sollten sich bei der behandelnden Ärztin oder Arzt informieren, ob die Antikörpertherapie auch in ihrem Fall angewendet werden darf. Wichtigste Voraussetzung: Bei den häufig auftretenden Kopfschmerzen handelt es sich auch wirklich um eine Migräne und diese wurde von der Ärztin oder dem Arzt eindeutig als eine solche diagnostiziert.
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Voraussetzungen für den Einsatz der monoklonalen Antikörper
Vorerst dürfen nur Migränepatient:innen mit mindestens vier Migränetagen pro Monat mit den neuen Prophylaktika behandelt werden und das auch erst dann, wenn Substanzen wie Betablocker, Flunarizin, Topiramat, Valproinsäure und Amitriptylin laut Auskunft von Neurolog:innen in der bisherigen Therapie nicht wirksam waren oder wegen Unverträglichkeiten oder anderer Umstände nicht eingesetzt werden können. Die Behandlung erfolgt dann zunächst für drei Monate. Wenn kein befriedigender Therapieeffekt nachweisbar ist, wird das Heilverfahren beendet. Bei Wirksamkeit sollte jedoch auch nach sechs bis neun Monaten mit der Gabe der monoklonalen Antikörper pausiert werden, um zu prüfen, ob die Prophylaxe noch nötig ist. Bei Beachtung dieser Voraussetzungen, werden die Antikörper einmal im Monat von einer Ärztin oder einem Arzt oder nach einer angemessenen Schulung von der Patientin oder dem Patienten selbst mit einer Spritze injiziert.
Nebenwirkungen der monoklonalen Antikörper
Diese vorbeugende Antikörpertherapie hat nach bisherigem Wissenstand eine bessere Verträglichkeit im Vergleich zu den bisher verfügbaren Wirkstoffen. Erwartungsgemäß können an der Einstichstelle Schmerzen oder ein Juckreiz auftreten. Allergische Reaktionen sind allerdings nur selten aufgefallen. Zum Teil konnten nach der Verabreichung des Medikaments Verstopfung oder Muskelkrämpfe festgestellt werden. Das Nebenwirkungsprofil der monoklonalen Antikörper ist aber insgesamt deutlich günstiger im Vergleich zu herkömmlichen Schmerzmitteln, insbesondere, wenn diese längerfristig und/oder hochdosiert eingenommen werden müssen. Patient:innen mit chronischer Migräne „übergebrauchen“ häufig ihre Schmerzmittel, weil sie die Schmerzen sonst nicht aushalten. Sie leiden dann unter den Folgen der sogenannten Medikamentenübergebrauch-Kopfschmerzen. Die Antikörpertherapie verringert offensichtlich den Medikamentenübergebrauch und schädigt Leber und Nieren nicht.
Wer darf nicht mit den monoklonalen Antikörpern behandelt werden?
Eine Behandlung mit monoklonalen Antikörpern ist zurzeit nicht für Schwangere und Stillende zugelassen. Auch Patient:innen mit schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Autoimmunkrankheiten dürfen das vorbeugende Migränemedikament nicht injiziert bekommen. Für Betroffene mit Herzinfarkt ist das Medikament nicht erlaubt (Kontraindikation). Patient:innen mit transplantierten Organen sollten ebenfalls von einer Behandlung mit monoklonalen Antikörpern absehen. Grundsätzlich gilt: Sind nach drei Monaten keine Erfolge zu verzeichnen, sollte die Therapie beendet werden.
Was ist bei der Dosierung zu beachten?
Je nach Antikörper, der gespritzt wird, und der Schwere sowie Häufigkeit der Migräneattacken empfehlen die Fachinformationen konkrete Wirkstoffmengen. Für Erenumab gibt es zwei Dosisempfehlungen: 70 mg beziehungsweise 140 mg. Manche Patienten können von der höheren Dosis profitieren: In klinischen Studien nahmen Migränetage ab, bei einer nur geringen Zunahme der Nebenwirkungen.
Persönliche Beratung in der Apotheke vor Ort
Für Patient:innen, die ihre Migräne selbst erfolgreich mit Magnesium, Sport und Änderung des Lebensgewohnheiten behandeln, sind die Apotheker:innen kompetente Begleiter durch ihr Leben mit dem Schmerz. Wenn jedoch häufig und regelmäßig rezeptfreie Medikamente zur Bekämpfung des Migräneschmerzes gebraucht werden, empfehlen Apother:innen den Besuch bei Ärzt:innen oder Neurolog:innen. Spätestens dann ist es Zeit mit ihnen über eine auf sie abgestimmte Arzneimitteltherapie zu sprechen. In der Apotheke vor Ort werden Betroffene zur optimalen Dosis von Schmerzmitteln, über ihre Wirkungen und Nebenwirkungen beraten. Bei Unklarheiten besprechen sich die Apothekenteams mit Erlaubnis der Patient:innen mit den behandelnden Ärzt:innen. Die Apotheker:innen vor Ort prüfen auch die weitere Medikation, ob möglicherweise Wechselwirkungen mit den Migränemedikamenten auftreten können.
Der Apothekerkammer Niedersachsen gehören rund 7.800 Mitglieder an. Die Apothekerin und der Apotheker sind fachlich unabhängige Heilberufler:innen. Der Gesetzgeber hat den selbstständigen Apotheker:innen die sichere und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln übertragen. Der Beruf erfordert ein vierjähriges Pharmaziestudium an einer Universität und ein praktisches Jahr. Dabei erwerben die Studierenden Kenntnisse in pharmazeutischer Chemie und Biologie, Technologie, Pharmakologie, Toxikologie und Klinische Pharmazie. Nach dem Staatsexamen erhalten die Apotheker:innen eine Approbation. Nur mit dieser staatlichen Zulassung können sie eine öffentliche Apotheke führen. Als Spezialist:innen für Gesundheit und Prävention beraten die Apotheker:innen die zur Ausübung der Heilkunde berechtigten Personen kompetent und unabhängig über Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte. Apotheker:innen begleiten Patient:innen fachlich, unterstützen menschlich und helfen so, die Therapie im Alltag umzusetzen.
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