Neue Adipositas-Medikamente können Herzschwäche-Risiken um über 40 Prozent senken
Eine Behandlung mit den sogenannten Abnehmspritzen Semaglutid (Ozempic) oder Tirzepatid (Mounjaro) kann Gesundheitsrisiken für Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz um mehr als 40 Prozent reduzieren. Das zeigt eine Studie von Forschenden der Technischen Universität München (TUM) und des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung. Das Risiko, wegen dieser Erkrankung ins Krankenhaus eingewiesen zu werden oder daran zu sterben, kann mit den Medikamenten drastisch reduziert werden.
Semaglutid und verwandte Medikamente werden seit kurzem zur Behandlung von Diabetes und Adipositas eingesetzt. Aktuell werden auch weitere Effekte diskutiert, die über die Gewichtsreduktion hinausgehen. Allerdings mahnen Fachgesellschaften und Zulassungsbehörden zur Vorsicht. In Bezug auf eine Behandlung der Herzinsuffizienz wurde durch kardiologische Fachgesellschaften darauf hingewiesen, dass die bisherige Datenbasis für diese Indikation nicht ausreiche.
„Durch unser innovatives Studiendesign haben wir jetzt gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Harvard Medical School eine solide Datenbasis für die Behandlung der Herzinsuffizienz mit diesen Abnehmspritzen geschaffen“, sagt Prof. Heribert Schunkert, Direktor der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen am TUM Klinikum Deutsches Herzzentrum. „Bei Patienten mit Herzinsuffizienz und erhaltener Pumpfunktion haben Semaglutid und Tirzepatid eine klare Schutzfunktion gezeigt, die den Einsatz unterstützen. Auf der Basis von rund 100.000 analysierten Patientinnen und Patienten steht damit erstmals eine belastbare Grundlage zur Verfügung, die eine Neubewertung für eine Erweiterung der Zulassung ermöglicht.”
Die untersuchte Form der Herzschwäche wird als „Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion“ bezeichnet. Bei diesen Patientinnen und Patienten ist die Schlagkraft des Herzens noch erhalten. Allerdings ist der Herzmuskel versteift, sodass die Füllung mit nachfließendem Blut nicht richtig funktioniert. Im Fachjargon spricht man von „Heart Failure with preserved Ejection Fraction“, kurz HFpEF, von der weltweit über 30 Millionen Menschen betroffen sind. Bislang gibt es für diese Form der Erkrankung nur wenige wirksame Behandlungsmöglichkeiten.
Datenbankstudie liefert solide Evidenz für Einsatz bei Herzschwäche
Die im Fachjournal JAMA publizierte Studie untersucht, was die Medikamente Semaglutid, Handelsname Ozempic, und Tirzepatid, bekannt als Mounjaro, bei Patientinnen und Patienten mit dieser bestimmten Form der Herzschwäche bewirken. Zielgruppe waren Patienten mit Übergewicht und Diabetes, die häufige Begleiter der HFpEF sind. Die Forschenden werteten für diese Gruppe drei US-Versicherungsdatenbanken aus. Mit diesen Daten wurden Computermodelle erstellt, mit denen in einem ersten Schritt Ergebnisse vorangegangener Studien zum Einsatz von Adipositas-Medikamenten bei Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche und weiteren Erkrankungen wie Übergewicht oder Diabetes bestätigt werden konnten. In einem zweiten Schritt konnten die Forschenden mit ihren Modellen Aussagen über die Wirksamkeit bei Patienten treffen, die in den klinischen Studien ausgeschlossen wurden sowie Analysen vornehmen, die andere Endpunkte wie Krankenhausaufenthalte und Mortalität wegen Herzinsuffizienz untersuchten.
In der Studie war die Behandlung mit beiden Medikamenten mit einem um mehr als 40 Prozent niedrigeren Risiko verbunden, wegen Herzinsuffizienz ins Krankenhaus eingeliefert zu werden oder zu sterben – im Vergleich zu einem anderen Diabetes-Medikament, das in früheren Studien keinen Einfluss auf die Herzschwäche hatte.
„Die HFpEF kann aktuell nur mit wenigen Medikamenten effektiv behandelt werden. Gleichzeitig leiden immer mehr dieser Patientinnen und Patienten an Übergewicht und Diabetes – Faktoren, die die Herzinsuffizienz weiter verschlechtern. In Deutschland ist die Erkrankung Grund Nummer Eins für Hospitalisierungen und damit eine enorme Belastung für das Gesundheitssystem. Wir konnten zeigen, dass die untersuchten Medikamente hochwirksam sind, was die Behandlungsoptionen für Patienten deutlich erweitert und viele Einweisungen ins Krankenhaus verhindern könnte“, sagt Dr. Nils Krüger, Assistenzarzt am TUM Klinikum Deutsches Herzzentrum und Erstautor der Studie.
Datengestützte Ansätze für die Zulassung neuer Medikamente
Die Studie nutzte Daten von Patientinnen und Patienten in einer Größenordnung, die im Schnitt 19-mal höher war als bei klassischen klinischen Studien. Dadurch konnten reale Versorgungsbedingungen differenzierter abgebildet werden und gezeigt werden, dass die Ergebnisse der Zulassungsstudien zu den sogenannten Abnehmspritzen auf die breite Patientenpopulation übertragbar sind. „Solchen datengetriebenen Ansätzen gehört die Zukunft – sie können zusammen mit klassischen Studien dafür sorgen, dass Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung schneller in die Patientenversorgung einfließen“, erläutert Prof. Schunkert.
Auch für Deutschland werden solche Analysen aus Sicht der Forschenden immer relevanter. Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz sieht vor, dass anonymisierte Krankenkassendaten künftig systematisch für solche Forschungsprojekte nutzbar gemacht werden, bei gleichzeitigem strengen Schutz von sensiblen persönlichen Daten. „Wir nutzen diese großen Datensätze, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Medikamenten in der klinischen Praxis zu untersuchen“, sagt Dr. Krüger.
Originalpublikation:
Semaglutide and Tirzepatide in Patients With Heart Failure With Preserved Ejection Fraction. Krüger et al JAMA. doi: 10.1001/jama.2025.14092
Quelle: Pressemeldung TU München
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