Polyamine beeinflussen Darmgesundheit positiv
Universitätsmedizin Mainz veröffentlicht neue Studie zum Einfluss von Polyaminen auf das Immungleichgewicht im Darm
Wissenschaftler des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene haben herausgefunden, dass ein bestimmtes Stoffwechselprodukt, das Polyamin Spermidin, die Darmgesundheit steigern und so zu einer verbesserten Immunität beitragen kann. Konkret zeigen die Untersuchungen in Zell- sowie in Tiermodellen, dass über die Nahrung aufgenommenes Spermidin die Differenzierung der T-Helferzellen hin zu den regulatorischen T-Zellen (Tregs) begünstigt. Dieser spezialisierte Zelltyp ist in der Lage, Entzündungsreaktionen im Darm abzuschwächen. Ernährung hat demnach einen großen Einfluss auf die Darmgesundheit und somit auf die Immunität des gesamten Organismus. Die in der Fachzeitschrift „Journal of Allergy and Clinical Immunology“ veröffentlichten Studienergebnisse könnten dazu beitragen, verbesserte Therapien gegen entzündliche Erkrankungen zu entwickeln.
Der Darm – lange unterschätzt, inzwischen jedoch ein zunehmend wichtiges Forschungsgebiet. Dies liegt unter anderem daran, dass der Darm bei der Aufrechterhaltung einer guten Immunabwehr eine zentrale Rolle spielt. Die Schleimhautoberflächen im menschlichen Körper, beispielsweise im Darm, bilden nämlich wichtige physische Schutzbarrieren von fremden Antigenen, also Molekülen, die das Immunsystem als körperfremd erkennt und die eine Immunreaktion auslösen können. Für den Darmtrakt besteht die Herausforderung darin, Krankheitserreger abzuwehren und gleichzeitig tolerant gegenüber Kommensalen, also friedlich koexistierenden Bakterien und Ernährungsantigenen zu bleiben. Dafür ist es wichtig, dass sich die Darmflora im Gleichgewicht befindet. Die Zusammensetzung der Darmflora hängt auch mit der Ernährung eines Menschen zusammen.
Die Bestandteile der zugeführten Nährstoffe werden in den Zellen verstoffwechselt – also abgebaut, umgebaut und zu neuen Produkten aufgebaut. Indem die Darmbakterien spezifische Stoffwechselmoleküle ausscheiden, beeinflussen sie die im Darm lokalisierten Immunzellen in ihrer Aktivität und Funktionalität. Eine wichtige Gruppe von Stoffwechselprodukten, die je nach Nahrung von den Darmbakterien ausgeschieden werden und anti-entzündliche Eigenschaften aufweisen, sind die sogenannten Polyamine. Zu diesen zählt auch das eng mit dem Zellwachstum verbundene Spermidin.
Welche Mechanismen führen zu der entzündungshemmenden Wirkung von Spermidin? Welche Rolle übernehmen dabei die auch als CD4-positive T-Zellen oder T-Helferzellen bezeichneten T-Lymphozyten? Lässt sich das Polyamin Spermidin als Modulator der T-Zell-Differenzierung und -Funktion charakterisieren? Diesen Forschungsfragen ging ein internationales Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Tim Sparwasser, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universitätsmedizin Mainz, im Rahmen der Studie „Regulating T-cell differentiation through the polyamine spermidine“ nach. Ein wichtiges Ziel der Arbeiten war es herauszufinden, ob sich die immunologisch wirksamen Zellpopulationen anders zusammensetzen, wenn mehr Polyamine verfügbar sind. Auf mechanistischer Ebene fokussierten sich die Wissenschaftler bei ihren Untersuchungen auf die CD4+-T-Zellen des Immunsystems.
Die Forscher fanden heraus, dass Polyamine die Differenzierung der CD4+-T-Zellen hin zu einem spezialisierten Zelltyp mit anti-entzündlichen Eigenschaften, den regulatorischen T-Zellen (Tregs) begünstigen. Die Mainzer Wissenschaftler und ihre Forscherkollegen verdeutlichen in ihre Studie, dass sich die Anzahl der Treg-Zellen im Dünndarm und im Colon deutlich erhöht, wenn dem Darm das Polyamin Spermidin als auch dessen Vorläufermolekül L-Arginin über die Nahrung zugeführt wird. Dadurch entfaltet es seine immunmodulatorische Funktion und schwächt Entzündungsreaktionen ab, wodurch wiederum eine verbesserte Immunität erzielt werden kann. Den Wissenschaftlern gelang es, in in vitro Zellmodellen als auch in einem Mausmodell für die Darmerkrankung Colitis den positiven Einfluss der Polyamine auf die Spezialisierung der CD4+-T-Zellen hin zu Tregs aufzuzeigen.
Durch die Verwertung bestimmter Nahrungsmittel sind die Darmbakterien in der Lage, das Polyamin Spermidin herzustellen. Spermidin beeinflusst die Ausdifferenzierung der naiven CD4-positiven Immunzellen, so dass vermehrt anti-entzündliche Treg-Zellen gebildet werden. Neben einer Zunahme an Foxp3-positiven Treg-Zellen, kommt es gleichzeitig zur Reduktion der Th17 Zellen, ein Zelltyp, der maßgeblich an Entzündungsreaktionen beteiligt ist. Zudem – so zeigen die Forscher in ihrer Studie auf – ist die Differenzierung hin zu Treg-Zellen von dem Autophagie-Mechanismus abhängig. Autophagie ist ein Recyclingprozess, der zelleigene Bestandteile wiederverwertet und auch für die Funktionalität der T-Zellen notwendig ist.
Diese Erkenntnisse verdeutlichen, dass die Ernährung einen großen Einfluss auf die Darmgesundheit hat und sich somit auf die Immunität des gesamten Organismus auswirken kann. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass Nahrungsmittel, die hohe Mengen an Polyaminen bzw. dessen Vorläufer-Molekül L-Arginin enthalten, wie beispielsweise Milchprodukte, Gemüse, Fleisch, Fisch und Sojabohnen, auch für den Menschen einen wichtigen Beitrag zu einer guten Immunität leisten. Mit einem noch tiefer gehenden Verständnis der in der Studie untersuchten Mechanismen ließen sich – so die Hoffnung der Wissenschaftler – neue, verbesserte Therapien gegen entzündliche Erkrankungen entwickeln.
Weitere Informationen zur Originalpublikation:
„Regulating
T-cell differentiation through the polyamine spermidine“; Guilhermina M.
Carriche, Luís Almeida, Philipp Stüve, Lis Velasquez, Ayesha
Dhillon-LaBrooy, Urmi Roy, Marc Lindenberg, Till Strowig, Carlos
Plaza-Sirvent, Ingo Schmitz, Matthias Lochner, Anna Katharina Simon, Tim
Sparwasser; „Journal of Allergy and Clinical Immunology; “ Open Access
Published:May 11, 2020; https://doi.org/10.1016/j.jaci.2020.04.037
Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Rund 3.400 Studierende der Medizin und Zahnmedizin werden in Mainz ausgebildet. Mit rund 7.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Universitätsmedizin zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere Informationen im Internet unter www.unimedizin-mainz.de
Foto: Adobe Stock/ Csaba Deli