Teams der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg, des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) Heidelberg, des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und der Universität Leiden zeigten an Mäusen, dass bestimmte Immunzellen Lungentumore besser in Schach halten können, wenn sie zuvor mit Eisen-Nanopartikeln versorgt wurden. Die nun veröffentlichte Arbeit wurde vom Translational Lung Research Center Heidelberg, einem Partner des Deutschen Zentrums für Lungenforschung gefördert.

Bestimmte Immunzellen, sogenannte Makrophagen, werden von Tumoren angelockt und können diese angreifen – oder aber vor anderen Immunzellen und Chemotherapien schützen. Mit eingeschleusten Eisenpartikeln lässt sich ihr Verhalten zuverlässig Richtung Krebsabwehr steuern. Das entdeckte jetzt ein Team um Professorin Martina Muckenthaler, Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg und Arbeitsgruppenleiterin in der Molecular Medicine Partnership Unit (MMPU), einer Kooperation zwischen Medizinischer Fakultät Heidelberg und EMBL Heidelberg. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten eine Form des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms, das zwar zunächst gut auf zielgerichtete Medikamente anspricht, nach einer bestimmten Zeit aber resistent wird und erneut heranwächst. Bei Mäusen, die an diesem Lungenkrebs erkrankt waren, ließ sich durch speziell aufbereitete Eisen-Nanopartikel das Tumorwachstum verlangsamen, wie das Team aktuell im Fachjournal ACS Nano berichtet. Wie lange dieser Effekt anhält und ob er auf den Menschen übertragbar ist, lässt sich aus diesen Ergebnissen noch nicht ablesen. Dennoch geht das Team davon aus, dass die neuartige Immuntherapie das Potenzial birgt, gängige Therapien in ihrer Wirkung zu verstärken.

Die Forschungsarbeit wurde in Kooperation mit den Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Rocio Sotillo, Direktorin der Abteilung Molekulare Grundlagen thorakaler Tumoren am DKFZ, Prof. Dr. Matthias W. Hentze, Direktor des EMBL, und Prof. Dr. Matthias Barz, Direktor der Abteilung BioTherapeutics an der Leiden Academic Centre for Drug Research (LACDR), Universität Leiden, Niederlande durchgeführt. Erstautorinnen sind die beiden ehemaligen Doktorandinnen Natalie K. Horvat, MMPU, und Sara Chocarro, DKFZ.

Eisen macht Makrophagen aggressiv

Auf die Idee eines Eisen-Boosters für Immunzellen kamen die Forschenden durch Beobachtungen bei einer völlig anderen Erkrankung, die das Blut betrifft: Werden bei der erblichen Sichelzellanämie die deformierten roten Blutkörperchen abgebaut, gelangt das darin enthaltene Eisen in Blut und Gewebe. „Wenn Makrophagen in der Leber dieses Eisen aufnehmen, greifen sie umliegende Leberzellen an und verursachen Gewebeschäden“, sagt Professorin Muckenthaler, die in dem von ihr geleiteten Zentrum für Translationale Biomedizinische Eisenstoffwechselforschung am Universitätsklinikum Heidelberg verschiedene Störungen des Eisenhaushalts erforscht. „Da es auch im Umfeld von Tumoren zum Abbau roter Blutkörperchen kommt, haben wir die Tumormikroumgebung genauer unter die Lupe genommen.“

Lungentumore kurbeln in ihrer Umgebung das Wachstum von Blutgefäßen an, um besser mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt zu werden. Dort gelangen dann rote Blutkörperchen in das häufig entzündete Gewebe und werden von Makrophagen abgebaut. Ihr Eisen reichert sich in den Makrophagen an. An Gewebeproben von Patientinnen und Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) fand das Team in vorangegangenen Arbeiten heraus: Ist ein solcher „Eiserner Vorhang“ um den Tumor vorhanden, bleiben die Tumoren kleiner und die Patientinnen und Patienten haben eine bessere Prognose als Betroffene ohne Eisenansammlung. „Die Makrophagen im Umfeld der Tumoren sind aggressiver gegen den Krebs. Diese natürliche Aktivierung der Krebsabwehr wollten wir uns zunutze machen“, so die Wissenschaftlerin.

Das Team verabreichte Mäusen, die an einer Unterart menschlicher Lungentumoren, sogenannten ALK-positiven NSCLCs, erkrankt waren, über die Atemwege speziell präparierte Eisen-Nanopartikel aus den Laboren von Professor Barz. Die Tiere waren zunächst mit dem gängigen Tumormedikament Crizotinib behandelt worden, das präzise gegen ein verändertes Protein dieser Krebsart gerichtet ist und die Tumoren vorrübergehend vollständig unterdrückt. „Zielgerichtete Medikamente wie Crizotinib sind ein großer Fortschritt in der Behandlung dieser speziellen Krebsart. Leider werden die Tumoren nach durchschnittlich 19 Monaten resistent. Wenn es uns gelingen würde, mit dem Eisen-Booster das Immunsystem zusätzlich zu aktiveren, könnten wir möglicherweise für die Patientinnen und Patienten krankheits- und symptomfreie Zeit gewinnen“, sagt Kooperationspartnerin Professorin Sotillo.
Auch für andere Tumoren geeignet?

Nahmen die Makrophagen die Eisen-Nanopartikel auf, schütteten sie Substanzen aus, die den Krebszellen schadeten, und lockten weitere Immunzellen an. Die Tumoren wuchsen nach der Therapie mit Crizotinib im Versuchszeitraum von zwei Wochen deutlich verlangsamt nach. Es traten keine Nebenwirkungen auf. „Diese Ergebnisse sagen noch nichts darüber aus, ob und wie lange Lungenkrebspatientinnen und -patienten von einer solchen Behandlung profitieren würden. Aber sie zeigen einen vielversprechenden Ansatz, den wir auch bei anderen Formen des Lungenkrebses sowie Lebertumoren und Brustkrebs überprüfen möchten“, so Muckenthaler.

Der nicht-kleinzellige Lungenkrebs (NSCLC) macht rund 80 Prozent aller Lungentumoren aus. Die Unterform des ALK-positiven nicht-kleinzelligen Lungenkrebs, an der rund 5 Prozent der NSCLC-Betroffenen leiden, ist durch eine bestimmte genetische Veränderung (EML4-ALK Fusions-Onkogen) gekennzeichnet. Patientinnen und Patienten mit dieser Krebsart haben meist nie oder wenig geraucht. Die gängige Therapie besteht aus der Behandlung mit zielgerichteten Inhibitoren wie Crizotinib. Auf gängige Immuntherapien sprechen diese Tumoren schlecht an.

Literatur

Horvat NK, Chocarro S, Marques O, et al. Superparamagnetic Iron Oxide Nanoparticles Reprogram the Tumor Microenvironment and Reduce Lung Cancer Regrowth after Crizotinib Treatment. ACS Nano. 2024;18(17):11025-11041. doi:10.1021/acsnano.3c08335

Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg: Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang

Das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für Patientinnen und Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 14.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit rund 2.500 Betten werden jährlich circa 86.000 Patientinnen und Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.100.000 Patientinnen und Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebshilfe (DKH) hat das UKHD das erste Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg etabliert. Ziel ist die Versorgung auf höchstem Niveau als onkologisches Spitzenzentrum und der schnelle Transfer vielversprechender Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik. Zudem betreibt das UKHD gemeinsam mit dem DKFZ und der Universität Heidelberg das Hopp Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), ein deutschlandweit einzigartiges Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD) rund 4.000 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion. www.klinikum.uni-heidelberg.de

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