Bei jeder zehnten Schwangerschaft werden derzeit noch Antikörper gegen den Rhesusfaktor als Arzneimittel gebraucht. Sie sind aber weltweit ein außerordentlich knappes und kostbares Gut, weil sie nicht synthetisch hergestellt werden können. Ab Juli 2021 wird ein Bluttest der Mutter zeigen, ob sie diese Immunglobuline überhaupt braucht. Fast 50.000 Behandlungen jährlich könnten in Deutschland dann eingespart werden.

Mit dem Begriff „Rhesusfaktor“ wird eine Besonderheit der roten Blutkörperchen bezeichnet. 85% aller Menschen haben diesen Faktor, die restlichen 15% nicht. Die einen werden „Rhesus-positiv“ genannt, die anderen „Rhesus-negativ“ [1]. Für Menschen, die diesen Rhesusfaktor nicht haben und mit dem Blut von Rhesus-positiven Menschen in Kontakt kommen, ist diese Besonderheit fremd. Ihr Immunsystem bildet dagegen Antikörper, so genannte Anti-D-Immunglobuline. Das ist vor der Entdeckung des Faktors häufiger passiert, wenn Rhesus-negative Patienten Transfusionen mit Rhesus-positivem Blut bekamen. Heute sind solche Vorfälle so gut wie ausgeschlossen.

Rhesus-Unverträglichkeit – große Gefahr für das Baby

Viel häufiger macht der Rhesusfaktor allerdings in Schwangerschaft und Geburtshilfe erhebliche Probleme: Rhesus-negative Frauen bekommen nämlich nur in etwa 40% auch ein Rhesus-negatives Baby. In den restlichen 60% ist ihr Baby Rhesus-positiv. Für die aktuelle Schwangerschaft ist das zunächst einmal selten ein Problem. „Die roten Blutkörperchen des Babys mit dem Rhesusfaktor, der sich in den letzten Schwangerschaftsmonaten ausbildet, können das feine Filtersystem der Plazenta bei gesunden Schwangeren nicht durchdringen“, erläutert Dr. med. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte. „Erst während der Geburt kommt es häufig zu einem Übertritt von kindlichem Blut in den Kreislauf der Mutter. Das Ergebnis ist, dass die Mutter Antikörper gegen den unbekannten Faktor bildet.“

Bei der nächsten Schwangerschaft können diese kleinen Antikörper, die im Blut der Mutter schwimmen, dann durch die Plazenta hindurch zum Ungeborenen gelangen und dessen rote Blutkörperchen zerstören, wenn sie Rhesus-positiv sind. Das Baby kann in diesem Fall – wenn es keine Blut-Transfusionen schon im Mutterleib bekommt – schwerkrank zur Welt kommen oder sogar versterben.

Immunglobuline schützen das Baby ….

Deshalb wird heute am Anfang der Schwangerschaft festgestellt, ob die werdende Mama Rhesus-positiv oder -negativ ist. „Ist sie Rhesus-negativ, so bekam sie etwa in der 30. Woche und dann noch einmal nach der Geburt hochdosierte Rhesus-Antikörper gespritzt“, erläutert Albring. „Diese Immunglobuline binden sich an Rhesus-positive Blutkörperchen des Babys, die möglicherweise schon ins Blut der Mutter gelangt sind und zerstören sie. Sie kommen so nicht mit dem Immunsystem der Mutter in Berührung und verhindern, dass die Mutter selbst Antikörper entwickelt.“

…. sind aber weltweit knapp

Die Behandlung mit Immunglobulinen, den Rhesus-Antikörpern, ist sehr erfolgreich und bewährt. Es gibt aber ein Problem: Die Rhesus-Antikörper können nicht synthetisch erzeugt werden. Menschen, die einen sehr hohen Rhesus-Antikörperspiegel in ihrem Blut haben, müssen dafür ständig Blut spenden, um den Bedarf zu decken. In Deutschland gibt es allerdings keine Spender mehr für diese Immunglobuline. Und es ist fürchten, dass auch der Nachschub an Rh-Immunglobulinen aus dem Ausland in der Zukunft deutlich zurückgehen wird. Albring stellt fest: „Deshalb ist der neue Test, der demnächst allen Schwangeren als Kassenleistung angeboten werden kann, eine wichtige Hilfe, um die weltweit knappen Ressourcen zu schonen.“

Genetischer Test entdeckt spätere Rhesus-Eigenschaften

Der neue Test weist nicht den Rhesusfaktor selbst nach, der sich auf den Blutkörperchen des ungeborenen Babys befindet. „Diese Struktur wird erst im Verlauf der Schwangerschaft gebildet“, so Albring. „Stattdessen sucht der Test bei Schwangeren, die Rhesus-negativ sind, bereits ab der 12. Schwangerschaftswoche nach genetischem Material des ungeborenen Babys im Blut der Mutter, aus dem man im Labor ablesen kann, ob das Kind den Rhesusfaktor auf seinen roten Blutzellen ausbilden wird oder nicht. Wird das Baby Rhesus-negativ so wie seine Mutter, so braucht die Mutter keine schützenden Antikörper. Das ist in 40% aller Schwangerschaften bei Rhesus-negativen Müttern der Fall.“

In diesen Fällen könne dann ohne Nachteil für das Baby auf die Behandlung verzichtet werden. „Das wird helfen, die Versorgung für diejenigen Schwangeren langfristig sicherzustellen, die diese Prophylaxe notwendig brauchen, um ihre Rhesus-positiven, ungeborenen Babys in der aktuellen Schwangerschaft und auch in den Folgeschwangerschaften zu schützen.“

(1) Wenn auf den roten Blutzellen eines Menschen das Rhesusfaktor-D-Antigen zu finden ist, so ist er oder sie Rhesus-positiv oder Rh(D)+. Wenn das Rhesusfaktor-D-Antigen nicht zu finden ist, so ist er oder sie Rhesus-negativ oder „Rh(D)-. Die Antikörper/Immunglobuline gegen den Rhesusfaktor werden auch Anti-D-Immunglobuline genannt.

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