SGLT2-Hemmer könnten Entstehung ernährungsbedingter Stoffwechselerkrankungen verhindern
Neue Schutzfunktion von Antidiabetika nachgewiesen
In der Therapie von PatientInnen mit Diabetes mellitus Typ 2 werden seit einigen Jahren erfolgreich SGLT2-Hemmer eingesetzt. Auch zur Behandlung der chronischen Herz- und Niereninsuffizienz finden diese Antidiabetika breite Anwendung. Mit den neuesten Forschungsergebnissen eines Teams um die Endokrinologin und Diabetologin Susanne Kaser von der Univ.-Klinik für Innere Medizin I kann SGLT2-Hemmern nun auch eine bislang unerforschte Funktion für die Vorbeugung von Übergewicht, Fettleber oder Diabetes zugeschrieben werden.
SGLT2-Hemmer (Sodium-glucose cotransporter) sind blutzuckersenkende Wirkstoffe aus der Gruppe der Antidiabetika, die zu einer verstärkten Ausscheidung der Glukose über den Harn führen und ihre Wirkung von Insulin unabhängig entfalten. Ihre therapeutischen Effekte zur Behandlung von Diabetes Typ 2 sowie Herz-und Niereninsuffizienz waren bekannt. Nun wiesen ForscherInnen an der Univ.-Klinik für Innere Medizin I erstmals in Versuchen mit Mäusen nach, dass SGLT2-Hemmer auch in der Lage sind, ernährungsbedingte Stoffwechselstörungen zu verhindern. „In dieser Studie konnte in einem Mausmodell für ernährungsbedingte Stoffwechselstörungen erstmals gezeigt werden, dass der SGLT2 Hemmer Empagliflozin die Entstehung von Insulinresistenz, Typ 2 Diabetes und Fettlebererkrankung verhindern kann. Der Wirkstoff ist also nicht nur in der Therapie, sondern auch in der Prävention effektiv“, betont Susanne Kaser, stellvertretende Direktorin der Univ.-Klinik für Innere Medizin I an der Medizin Uni Innsbruck.
Um zu prüfen, wie Empagliflozin vor Gewichtszunahme und anderen Folgen ungesunder Ernährung schützt, wurde die Wirkung der Substanz an gesunden Mäusen mit einer hochkalorischen fett- und kohlehydratreichen, also typisch westlichen Diät getestet. Unbehandelt führte die Fütterung mit dieser Diät über einen Zeitraum von zehn Wochen zu Insulinresistenz, Übergewicht und Leberverfettung. „Zahlreiche Studien haben bereits die Effizienz von SGLT-2 Inhibitoren bei ernährungsbedingten Stoffwechselerkrankungen gezeigt. Das Besondere an unserer Studie ist, dass erstmalig der Frage nachgegangen wurde, ob die Gabe von Empagliflozin bei an sich gesunden Mäusen Diät bedingte Stoffwechselstörungen verhindern kann“, beschreibt Erstautor Bernhard Radlinger das Studiendesign.
Neuer Ansatz – neue Erkenntnis
Schon während der zehnwöchigen Fütterung wurde der Effekt von Empagliflozin auf den Energiehaushalt der Mäuse detailliert untersucht. Danach wurden neben Effekten auf den systemischen und gewebsspezifischen Glukosestoffwechsel auch Auswirkungen auf die Körperzusammensetzung und das Lebergewebe analysiert. Mittels aufwändiger Untersuchungen erfolgte eine besonders detaillierte Bestimmung der Insulinempfindlichkeit der Mäuse. Dafür wurde von Claudia Ress aus dem Innsbrucker Team die Technik der hyperinsulinämisch-euglykämischen Clamp Untersuchung in Innsbruck erfolgreich etabliert. Dabei zeigte sich im Mausmodell, dass Empagliflozin vor der Entstehung von Diät induzierter Insulinresistenz schützt. Besonders bemerkenswert ist die Erkenntnis, dass Empagliflozin unabhängig von der Ernährungsweise, also auch bei Fütterung mit Standarddiät, positive Effekte auf die Größe und die Form der Mitochondrien – die Energiekraftwerke der Zelle – in der Skelettmuskulatur hat.
„Neben dem Schutz vor Gewichtszunahme und Insulinresistenz ist der SGLT2-Hemmer Empagliflozin laut dieser Studie also auch in der Lage, die mitochondriale Funktion, die für die zelluläre Energieversorgung notwendig ist, aufrechtzuerhalten“, so Kaser. Störungen der mitochondrialen Funktion spielen nicht nur bei Insulinresistenz und Typ 2 Diabetes, sondern auch bei der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung eine wichtige Rolle.
Für die Prävention von stoffwechselbedingten Erkrankungen liefert diese Forschungsarbeit, die im Rahmen des von Susanne Kaser geleiteten und inzwischen ausgelaufenen Christian Doppler Labors für Insulinresistenz durchgeführt wurde, also weitreichende Erkenntnisse. „Neben der stets notwendigen Lebensstilanpassung könnten die Ergebnisse in Zukunft genutzt werden, frühzeitig das Risiko für die Entwicklung folgenschwerer Erkrankungen wie Typ 2 Diabetes und Fettlebererkrankung bei Hochrisikopatientinnen und -patienten zu senken“, schließt Susanne Kaser.
Zur Person:
Susanne Kaser ist stellvertretende Direktorin der Innsbrucker Univ.-Klinik für Innere Medizin I und Professorin für Endokrinologie und Diabetologie. Bis Ende 2021 fungierte sie als Präsidentin der Österreichischen Diabetesgesellschaft. An der Medizinischen Universität Innsbruck forscht die gebürtige Oberösterreicherin seit vielen Jahren im Bereich der Insulinresistenz und der Fettlebererkrankung, die eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Typ 2 Diabetes spielen.
Forschungsarbeit:
Empagliflozin protects mice against diet-induced obesity, insulin resistance and hepatic steatosis. Radlinger, B., Ress, C., Folie, S. et al. Diabetologia (2022). https://doi.org/10.1007/s00125-022-05851-x
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