„Sie trotz ihrer Erkrankung so agil und fröhlich zu sehen, das macht mich unglaublich froh!“
Nele ist acht Jahre alt und hat kindliches Rheuma. Dank einer guten medikamentösen Einstellung merkt man ihr die Erkrankung im Alltag kaum an. Ihre Mutter wünscht sich, dass mehr Menschen über die Krankheit Bescheid wüssten.
„Du hast Rheuma? Aber das haben doch nur alte Menschen!“ Diese unsensiblen Fragen hören Nele und ihre Eltern immer wieder. Nele ist heute acht Jahre alt, vor zwei Jahren wurde bei ihr kindliches Gelenkrheuma, die sogenannte juvenile idiopathische Arthritis, festgestellt. Seitdem leistet sie zusammen mit ihren Eltern Aufklärungsarbeit über ihre Erkrankung – auch im Familien- und Freundeskreis. Denn Rheuma ist für Außenstehende häufig eine unsichtbare Krankheit, von der eigentlich jeder schon einmal gehört hat, aber kaum einer weiß, was es bedeutet.
An die Anfänge von Neles Rheuma-Geschichte kann sich ihre Mutter Katrin noch gut erinnern: „Kurz bevor Nele eingeschult wurde, konnte sie auf einmal nicht mehr richtig laufen und hatte Schwierigkeiten, die Schritte richtig zu setzen. Unser Kinderarzt hat uns dann an die Uniklinik Düsseldorf überwiesen und hier stand relativ schnell die Diagnose Rheuma fest. Das war auch für uns ein Schock: Zwar habe ich auch Rheuma, aber das auch Kinder betroffen sein können, wussten wir bis dahin wirklich nicht. Da steht man dann schon an dem Punkt, wo man sich erst einmal fragen muss: Was ist das eigentlich und wie geht es jetzt weiter?“
Wenn das Immunsystem durcheinander ist und die eigenen Zellen angreift: Rheumatische Erkrankungen sind Autoimmunerkrankungen
Rheuma ist medizinisch gesehen keine einzelne Erkrankung. Es ist ein Überbegriff für sehr viele verschiedene Entzündungskrankheiten. Am bekanntesten sind Bewegungsschmerzen. Im Volksmund wird Rheuma deshalb häufig mit der „Rheumatoiden Arthritis“ gleichgesetzt, die die häufigste Krankheit bei Erwachsenen innerhalb des Spektrums der rheumatischen Erkrankungen ausmacht. Rheuma umfasst aber auch Erkrankungen die Knochen, Muskeln oder das Bindegewebe beeinträchtigen. Sie verlaufen häufig chronisch.
Im Kindesalter tritt am häufigsten das Gelenkrheuma auf – eine chronische Gelenkentzündung, die in der Fachsprache „Juvenile Idiopathische Arthritis“ (kurz: JIA) genannt wird. Rund 1.200 Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre erkranken jedes Jahr in Deutschland. „Die JIA ist eine Autoimmunerkrankung. Das heißt, das Immunsystem schlägt quasi in die falsche Richtung. Es richtet sich bei Betroffenen nicht nur gegen Krankheitserreger, sondern greift auch körpereigene Strukturen an. Beim Gelenkrheuma wandern die Immunzellen fälschlicherweise in die Gelenke und lösen dort Entzündungen aus. Ohne Therapie können die Gelenke, aber auch andere Organe – wie im Falle der JIA auch die Augen – dadurch langfristig sogar zerstört werden“, erklärt Dr. Prasad Oommen, Oberarzt und Leiter des Bereichs Pädiatrische Rheumatologie an der Uniklinik Düsseldorf.
„Warum sich das Immunsystem bei manchen Menschen gegen den eigenen Körper wendet, wissen wir noch nicht endgültig. Wahrscheinlich wirkt hier ein Zusammenspiel von genetischer Veranlagung und Umweltfaktoren. Immer wieder höre ich von Eltern, dass sie Angst haben, dass sie irgendwie schuld sein könnten. Aber das können wir mit ziemlicher Sicherheit sagen: Am Ausbruch einer solchen Erkrankung ist niemand schuld.“
Hip Hop, Inline Skaten und Freunde treffen: Dank Medikamenten führt Nele ein ganz normales Leben. Aber der Weg dahin ist hart
Nachdem die Krankheit bei Nele diagnostiziert wurde, hat man mit einer Medikamententherapie begonnen. Keine einfache Zeit für die damals Sechsjährige und ihre Familie, erinnert sich Mutter Katrin: „Die richtige Medikamenteneinstellung hat einige Zeit gedauert und in der Zeit mussten wir immer mal wieder für kurze Zeit ins Krankenhaus. Vor allem bei ihrer Einschulung konnte man auch deutlich die Folgen der Kortisonbehandlung sehen, auf dem Spielplatz hat sie gehumpelt. Das ist natürlich für ein kleines Mädchen, das einfach nur ein ganz normaler Teil der Klasse sein möchte, sehr schwierig.“
Behandelt wird das kindliche Rheuma vor allem mit Medikamenten – unterstützt durch Ergo- und Physiotherapie. Auch eine gesunde Ernährung kann helfen. „Rheumatische Erkrankungen sind an sich nicht heilbar, wir können sie aber sehr gut behandeln und die Symptome lindern. Betroffene können so – bis auf wenige Ausnahmen – ein ganz normales Leben führen. Dafür stellen wir die Kinder und Jugendlichen ganz individuell auf ihre Medikation ein. Das dauert aber eine gewisse Zeit und bedarf guter Absprachen zwischen den Familien und dem Behandlungsteam“, erklärt Dr. Prasad Oommen.
„Kinder wie Nele benötigen nach anfänglich intensiveren Maßnahmen – wie Gelenkpunktionen – Medikamente um den erreichten Zustand zu erhalten. Sie werden zum Teil als Tabletten und zum Teil als Spritzen beispielsweise einmal in der Woche gegeben. Wir begleiten die Familien in unserer Kinder- und Jugendrheumatologie daher meistens über viele Jahre. Neben der medikamentösen Therapie ist aber auch eine gute psychosoziale Versorgung betroffener Kinder und ihrer Familien erforderlich. Das geht über Selbsthilfegruppen, Sozialberatung und manchmal auch mit psychotherapeutischer Unterstützung. Denn: Selbst bei guter Medikamenteneinstellung bleibt eine chronische Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen eine Belastung für die gesamte Familie.“
Neles Mutter Katrin möchte die Öffentlichkeit über das Krankheitsbild des kindlichen Rheumas informieren. Ihrer Familie hilft auch der Austausch mit anderen Betroffenen – zum Beispiel samstags, wenn Nele zusammen mit anderen Kindern beim therapeutischen Reiten ist. Organisiert wird das von der Rheuma Liga.
Katrin hofft, dass sich Kinder wie Nele irgendwann nicht immer erklären müssen: „Rheuma ist eine Krankheit, die man einem nicht ansieht. Man ist aber dennoch krank, hat Einschränkungen und andere müssen manchmal Rücksicht nehmen. Wenn man jeden Freitagabend eine Spritze benötigt, kann man natürlich auch nicht wie andere Kinder einfach so zum Beispiel zu einer Geburtstagsfeier. Die notwendigen Medikamente haben auch Nebenwirkungen und können phasenweise auch ganz schön belastend sein. In den letzten drei Jahren hatten wir viele Höhen, aber auch Tiefen“, erinnert sie sich. „Was aber viele nicht verstehen: Nele lebt dank der Therapie trotzdem ein ganz normales Leben. Sie ist super sportlich, tanzt Hip Hop, trifft sich mit Freundinnen und Freunden und fährt viel Inliner. Sie kann nie lange stillsitzen. Sie so agil und fröhlich zu sehen – auch wenn sie manchmal eine Pause machen muss – das macht mich unglaublich froh! Mein Dank gebührt dem Team der Kinder-Rheumatologie, für die Unterstützung.“
Zum Universitätsklinikum Düsseldorf:
Das Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD) ist das größte Krankenhaus in der Landeshauptstadt und eines der wichtigsten medizinischen Zentren in NRW. Die 9.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in UKD und Tochterfirmen setzen sich dafür ein, dass jährlich über 50.000 Patientinnen und Patienten stationär behandelt und 300.000 ambulant versorgt werden können.
Das UKD steht für internationale Spitzenleistungen in Krankenversorgung, Forschung und Lehre, sowie für innovative und sichere Diagnostik, Therapie und Prävention. Patientinnen und Patienten profitieren von der intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit der 60 Kliniken und Institute. Die besondere Stärke der Uniklinik ist die enge Verzahnung von Klinik und Forschung zur sicheren Anwendung neuer Methoden.
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