Therapie bei Übergewicht im Corona-Lockdown
Adipositas-Schulungsprogramm für Kinder und Jugendliche per digitalen Live-Unterricht / Anmeldung ab sofort
Zwei Mädchen bleiben am Ball: Mit Ausdauer nehmen sie an dem Adipositas-Schulungsprogramm „DURCH DICK UND DÜNN“ teil, das derzeit aufgrund der Corona-Bedingungen per digitalen Live-Unterricht stattfindet. In Kooperation mit dem Förderverein Psychomotorik Bonn e.V. und der Katholischen Familienbildungsstätte Bonn bietet das Universitätsklinikum Bonn das einjährige Therapieprogramm an. Franziska und Evelin sind auf einem guten Weg mit Unterstützung ihrer Eltern, das Kursziel eines langfristigen Gewichtsverlusts zu erreichen. Das digitale Training kommt bei den beiden Mädchen im Alter von 12 und 14 Jahren als Alternative gut an. Der nächste Kurs startet nach den Sommerferien. Eine Anmeldung ist ab sofort möglich.
„Bei der Umstellung auf digitalen Live-Unterricht im zweiten Corona-Lockdown war die größte Herausforderung alle Kinder und Jugendliche mitzunehmen. Denn für Familien, bei denen bis dahin keine Digitalisierung stattgefunden hatte, bedeutete es Belastung und Stress“, sagt Katalin Wachendorff, Projektkoordinatorin von „DURCH DICK UND DÜNN“. Zudem sind die pädagogischen Möglichkeiten deutlich anders. „Sehr schwierig wird es, wenn die technischen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder wenn die Kinder nicht die Möglichkeit haben, sich in einen Raum zurückzuziehen“, sagt Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin Eva Haffner am Eltern-Kind-Zentrum ELKI des Universitätsklinikums Bonn. Ein zentraler Punkt für eine erfolgreiche Gruppenschulung sei es, Geschlossenheit, Verbindlichkeit und Vertraulichkeit innerhalb der Gruppe auch auf digitaler Ebene zu erhalten.
Trotz digital in Kontakt und Austausch bleiben
Denn das Therapieprogramm, das auf den drei Säulen „Ernährung, Psychologie und Bewegung“ steht, fordert viel von den Kindern und Jugendlichen. Nur mit Unterstützung der Familie können sie die Therapieziele einer Ernährungsumstellung und Gewichtsstabilisierung oder sogar einem langfristigen Gewichtsverlust erreichen. „Alle können es schaffen, aber auch nur dann, wenn die Motivation hoch ist“, sagt Prof. Dr. Bettina Gohlke, Leiterin des Schwerpunktes Kinderendokrinologie, -diabetologie, Adipositas, Stoffwechsel am Universitätsklinikum Bonn. Daher müssen die Trainer Regeln für den digitalen Unterricht mit den Kindern und Jugendlichen absprechen sowie jeden in der Gruppe im Blick halten und mit einbeziehen – auch wenn die technischen Bedingungen extrem unterschiedlich sind. Neben der Modifizierung des kompletten Therapieprogramms in adäquate online-Formate, ist dies gelungen, denn die Kinder und Jugendlichen nehmen das Angebot gut an und nehmen rege teil.
„Ich kann auch allein etwas erreichen!“
Vor allem der digitale Kochkurs kommt bei Franziska gut an: „Ich koche für die ganze Familie ein komplettes Abendessen.“ Auch ihre Mutter freut sich über die verstärkte Selbständigkeit ihrer zwölfjährigen Tochter. „Digital fordert es quasi heraus. Franziska bereitet alles für den Kochkurs vor und räumt nachher wieder die Küche auf. Ich muss mich um nichts kümmern.“ Doch statt Sport im Wohnzimmer würde Franziska lieber in der Turnhalle mit den anderen fangen spielen. Evelin dagegen macht neben Kochen auch das digitale Sportangebot viel Spaß. „Besonders gut finde ich, dass wir als Gruppe trotz der Distanz zusammenhalten. Trotzdem ist man mehr auf sich allein gestellt.“ So geht sie auf Eigeninitiative mit einer Freundin aus dem Kurs oder allein nachmittags an der frischen Luft laufen oder spazieren. Laut ihrer Mutter hat das Schulungsprogramm die 14-Jährige ein großes Stück weitergebracht. „Evelin ist klargeworden, dass sie etwas tun muss und zwar jeden Tag.“
Den Erfolg schon während des Schulungs-Programms Gewicht abgenommen zu haben, verdanken Franziska und Evelin laut beider Mütter einer Änderung ihrer Lebensgewohnheiten, die ursächlich für ihr Übergewicht sind. Dazu gehört, auf die Ernährung zu achten sowie mehr Fitness und Bewegung in den Alltag zu integrieren. Aber auch beide Mütter haben beispielsweise ihr Kaufverhalten geändert und so landen mehr Vollkornprodukte, Obst und Gemüse im Einkaufswagen. „Die Eltern müssen mit im Boot sein“, betont Prof. Gohlke. „Zudem ist es wichtig, das positive Selbstwertgefühl und die Eigenverantwortung der Kinder und Jugendlichen zu fördern sowie deren Frustration und Leidensdruck zu senken.“
Neue Kurse nach den Sommerferien
“Trotz der jetzigen guten Erfahrung hoffen wir, im Sommer dann auch wieder im Präsenzunterricht starten zu können“, sagt Haffner. „Denn das Gruppengefühl lässt sich digital nicht wirklich herstellen. Der Blickkontakt und die Spontaneität fehlen sehr. Das unmittelbare Miteinander ist aus meiner Sicht nur schwer zu ersetzen. Dennoch fühlen sich die Kinder und Jugendlichen in der überschaubaren Gruppe wahrgenommen. Sie freuen sich über die regelmäßigen digitalen Angebote sowie die persönliche Ansprache und Einbeziehung.“
Mitmachen können alle Jungen und Mädchen zwischen acht und sechzehn Jahren. Das Therapieangebot startet nach den Sommerferien mit zwei Kursen. „Ziel ist es, die Gruppen hinsichtlich des Alters und der Entwicklung harmonisch aufeinander abzustimmen“, sagt Wachendorff. Die Schulung dauert zwölf Monate und findet zweimal pro Woche montags- und donnerstagsnachmittags statt. Für die Teilnahme an der Adipositas-Schulung ist eine Überweisung des Kinderarztes erforderlich. Eine Anmeldung ist bereits jetzt unter der Mobil-Telefonnummer 0151 / 582 336 54 oder der E-Mail info@adipositas-uni-bonn.de möglich.
Mehr Information zum ambulanten Adipositas-Schulungsprogramm gibt es unter:
http://www.adipositas-uni-bonn.de//
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