Wird Telemonitoring zur Routineversorgung bei Herzinsuffizienz?
Eine Fernüberwachung des Drucks in der Lungenarterie und Betreuung durch spezialisierte Pflegekräfte könnten Todesfälle und Krankenhausaufenthalte bei Herzinsuffizienz verhindern helfen
Herzinsuffizienz ist in Deutschland der häufigste Grund für eine Klinikeinweisung. Die von der Würzburger Kardiologin Christiane Angermann geleitete multizentrische Registerstudie MEMS-HF hat erstmals in Europa gezeigt, dass ein Monitoring des Lungenblutdrucks mit dem CardioMEMS™HF System sicher ist und Krankenhausaufenthalte und Sterblichkeit verringern könnte. In einer Folgestudie, PASSPORT-HF, prüft das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) nun im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) ob das CardioMEMS™HF System in Deutschland in die Regelversorgung integriert werden soll.
Fast vier Millionen Menschen leiden in Deutschland unter einer Herzinsuffizienz. Die Ursachen sind komplex. Die Lebenserwartung nimmt stetig zu und akute kardiovaskuläre Erkrankungen werden immer häufiger überlebt – nicht selten mit einer Herzinsuffizienz als Langzeitfolge. Hinzu kommen zahlreiche weitere Erkrankungen sowie gravierende Einschränkungen der Lebensqualität. Diese Volkskrankheit stellt sowohl für die Betroffenen als auch für das Gesundheitssystem eine enorme Belastung dar.
Bei Druckanstieg in Lungenarterie droht Dekompensation
Eine vielversprechende therapeutische Chance bietet die Früherkennung und präventive Behandlung von Verschlechterungen der Herzinsuffizienz. Klinische Symptome dieser sogenannten Dekompensation bemerken die Patienten in der Regel erst in einem fortgeschrittenen Stadium, wenn ein Krankenhausaufenthalt zur Behandlung dieses oft lebensgefährlichen Zustands nicht mehr zu vermeiden ist. Ein Druckanstieg in der Lungenarterie deutet indes meist schon Wochen zuvor die drohende Entgleisung an – früh genug, um durch eine geeignete vorbeugende Therapieanpassung einen weiteren Krankenhausaufenthalt zu verhindern.
Das CardioMEMS™HF System bietet die Möglichkeit, mit einem in die Lungenarterie eingebrachten Sensor die Druckwerte täglich zu überwachen. Die Patienten leiten sie mit der elektronischen Patienteneinheit selbst ab und übertragen sie auf eine sichere Website, wo das Betreuungsteam sie überprüfen und je nach Ergebnis die Therapie flexibel anpassen kann. Professor Dr. Christiane Angermann vom Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) berichtete beim Online-Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in einer „Late Breaking Clinical Trials“ Session am 23. Juni über die von ihr geleitete multizentrische MEMS-HF Studie, in der die Anwendung das CardioMEMS™HF Systems erstmals in drei europäischen Ländern untersucht wurde. Die Studienergebnisse wurden jetzt vom European Journal of Heart Failure veröffentlicht.
Weniger Klinikaufenthalte und Todesfälle, mehr Lebensqualität
Die MEMS-HF Studie bestätigt Ergebnisse der amerikanischen CHAMPION-Studie und zeigt, dass ein CardioMEMS- geführtes Herzinsuffizienzmanagement auch in Deutschland, den Niederlanden und in Irland machbar ist. 234 Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz (NYHA Klasse III*) erhielten in insgesamt 31 Zentren einen CardioMEMS Sensor. Komplikationen bei der Implantation oder ein Versagen des Sensors wurden nur in seltenen Ausnahmen beobachtet und waren nicht lebensbedrohlich, das System erwies sich also als sehr sicher. „Die Teilnahmetreue der Patienten war zudem sehr hoch“, berichtet Prof. Dr. Christiane Angermann erfreut. Mehr als drei von vier Patienten übertrugen tatsächlich jeden Tag ihre Werte an ihr Zentrum und fast 100 Prozent übertrugen wenigstens einmal wöchentlich.“
Die klinischen Erfolge waren ebenfalls deutlich: „Die Hospitalisierungsrate war nach der Implantation des Sensors im Vergleich zum Jahr vorher um mehr als 60 Prozent reduziert, und die jährliche Sterblichkeit war mit weniger als 14 Prozent bei diesen Hochrisikopatienten relativ niedrig“, erklärt Christiane Angermann. „Eindrucksvoll war auch, dass sich die Lebensqualität umso mehr verbesserte, je ausgeprägter die Drucksenkung in der Lungenarterie war. Die depressiven Symptome bildeten sich ebenfalls deutlich zurück. Dazu kamen eine während des gesamten Untersuchungszeitraums von zwölf Monaten anhaltende Verbesserung der Herzschwächesymptome bei über 40 Prozent der Patienten und ein hochsignifikanter Abfall des Herzschwächemarkers NT-proBNP*.“
„Wert des CardioMEMS™HF-Systems ist umso größer, je besser das Betreuungsteam die Information für die Behandlung nutzt“
Wie kamen diese vielfältigen Verbesserungen zustande? „Natürlich erfordert die engmaschige Betreuung viel Kommunikation zwischen Patienten und Betreuungsteam und eine Infrastruktur, in der geschultes Personal zeitnah die richtigen Maßnahmen ergreift, wenn Abweichungen des Lungenarteriendrucks auftreten“, erläutert Angermann. „Für die Studie wurden in den Zentren Pflegekräfte speziell geschult, die bei den Patienten auch das in Würzburg entwickelte Disease Management Programm HeartNetCare-HF™ anwendeten. Hier lernen Patienten Therapietreue und Selbstfürsorge und erhalten Informationen über das Krankheitsgeschehen“, so die Kardiologin. „In MEMS-HF wurden besonders in der Anfangsphase die Medikamente oft angepasst, um den Lungenarteriendruck zu normalisieren. Wie weit das Disease Management zusätzliche positive Effekte hatte, ließ sich in der Registerstudie nicht sicher unterscheiden. Wahrscheinlich haben Patientenschulung und -information zu den guten Studienergebnissen beigetragen“. Abschließend stellt Christiane Angermann fest: „Natürlich ist das CardioMEMS™HF System nur ein Hilfsmittel, es stellt nicht selbst eine Therapie dar. Sein Nutzen hängt daher immer ganz entscheidend von der nachgeschalteten Effektorseite ab, also davon, wie gut das Betreuungsteam das System zur Optimierung der Behandlung nutzt, und wie zeitnah und umfassend gut informierte Patienten die Behandlungsempfehlungen umsetzen. Leider gibt es für diese vielversprechende Betreuungsform bisher von den Krankenkassen keine Finanzierung.“
Wie geht es weiter? Derzeit wird im Auftrag des Gemeinsamen Bundesauschusses (G-BA) in der randomisierten PASSPORT-HF Studie geprüft, ob hierzulande im Vergleich ähnlich positive Effekte zu erwarten sind und das CardioMEMSTM HF-System in die Regelversorgung integriert werden soll. „Wichtig ist jedoch, dass die übertragenen Messwerte der Patienten von einer geschulten Pflegekraft und im Bedarfsfall zusätzlich vom Arzt regelmäßig evaluiert und interpretiert werden, sodass die Medikation und Therapie zeitnah angepasst werden können“, resümiert Prof. Dr. Stefan Störk, Leiter der neuen PASSPORT-HF Studie am DZHI.
* Die New York Heart Association (NYHA) hat die Herzinsuffizienz in vier Stadien eingeordnet.
*Die Biomarker BNP (brain natriuretic peptide) und NT-proBNP (N-terminales pro-BNP) sind Indikatoren für die Herzinsuffizienz und den Behandlungserfolg.