Woran mangelt es bei der Behandlung von Migräne? Nach den Erkenntnissen einer deutschen Untersuchung sind viele Patienten mit Migräne immer noch nicht ausreichend behandelt. Eine Therapie, die aktuellen Behandlungsleitlinien folgt, könnte Migränepatienten aber deutlich helfen und sollte auch von Betroffenen aktiv eingefordert werden.


Migräne ist eine häufige Erkrankung. Dies vergisst man als betroffene Person und auch als Außenstehender leicht, da Erkrankte im akuten Zustand meistens versteckt, im dunklen, ruhigen Zimmer leiden. Aber wer sich mit Menschen über Migräne unterhält, merkt schnell, wie verbreitet das Leiden ist – und wie hilflos auch viele Betroffene mit ihrer Erkrankung dastehen. Obwohl es gute und klare Behandlungsleitlinien auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse gibt, ist das Krankheitsmanagement häufig unzureichend. Ziel einer Untersuchung deutscher Migräneexperten war es nun, das Potenzial besserer Behandlungen für Migränepatienten zu ermitteln: könnte Betroffenen besser geholfen werden?

Könnte Betroffenen mit Migräne besser als bisher geholfen werden?

Dazu ermittelten die Experten der Kopfschmerzambulanz des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf Informationen von Migränepatienten mittels standardisierter Fragebögen zum Kopfschmerz, der Diagnose und Erfahrungen mit vorherigen Behandlungen. Sie erfassten auch die Wirksamkeit der Behandlung in der Kopfschmerzambulanz selbst.

Befragung von fast 2000 Patienten in der Kopfschmerzambulanz zum bisherigen Krankheitsweg

Zwischen 2010 und 2018 konnten 1 935 Migränepatienten in die Untersuchung aufgenommen werden. In den 12 Monaten vor dem jeweiligen Termin in der Kopfschmerzambulanz hatten 89,5 % der Patienten einen Allgemeinarzt und 74,9 % einen Neurologen wegen ihrer Migräne aufgesucht. Bei 50 % der Patienten wurden unnötige Diagnoseverfahren angewandt. Ein Drittel der Betroffenen (34,2 %) wurde nicht nach den aktuellen, evidenzbasierten Leitlinien behandelt. Von 1 031 der Patienten, die keine prophylaktische Behandlung verschrieben bekamen, litten immerhin 627 (60,8 %) unter durchschnittlich 3 oder mehr Migräneattacken pro Monat. In den drei Monaten vor dem Termin in der Kopfschmerzambulanz verpassten diese Patienten im Schnitt 5 Arbeits- oder Schultage. Sie gehörten damit klar zu der Gruppe, für die eine prophylaktische Behandlung sinnvoll wäre. Eine entsprechende Therapie, die in der Ambulanz gestartet wurde, war schließlich bei 71,2 % der Patienten, von denen Nachsorgedaten vorlagen, effektiv.

Ergebnis: häufig unnötige Diagnose, ein Drittel ohne zeitgemäße Therapie

Die Studienergebnisse zeigen damit, dass immer noch viele Migränepatienten unzureichend behandelt sind. Eine Therapie, die aktuellen Behandlungsleitlinien folgt, könnte Migränepatienten deutlich helfen. Weitere Studien sollten ermitteln, aus welchen Gründen diesen Richtlinien aber häufig nicht gefolgt wird. Grundsätzlich sollten aber auch Patienten stärker auf ihre Optionen und die Chancen einer Behandlung auf dem neuesten Stand hingewiesen werden, um so auch ihre Rechte auf eine bestmögliche Behandlung einfordern zu können.


Referenz:

Ziegeler C, Brauns G, Jürgens TP, May A. Shortcomings and missed potentials in the management of migraine patients – experiences from a specialized tertiary care center. J Headache Pain. 2019;20(1):86. doi:10.1186/s10194-019-1034-8