Starker Rückgang der HPV-Impfquoten 2024: Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) fordert verstärkte gesundheitspolitische Bemühungen zur Erhöhung der HPV-Impfquote
München. Seit 2006 gibt es in Europa einen zugelassenen Impfstoff gegen Humane Papillomviren (HPV), der vor assoziierten Zellveränderungen (Läsionen) schützt und Krebserkrankungen bei Frauen wie Männern nachgewiesen verhindern kann. Die Impfung ist für Mädchen und Jungen zwischen 9 und 14 Jahren durch die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) empfohlen, ihr Nutzen ist am größten, wenn sie vor dem ersten Geschlechtsverkehr erfolgt – kann aber auch nach dem ersten Geschlechtsverkehr verabreicht werden. Der diese Woche veröffentlichte Barmer Arzneimittelreport 2024 zeigt erneut einen starken Rückgang der HPV-Impfquoten um 23,5 Prozent, daher fordert der Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) mehr Initiativen und Anreize, um die Impfrate positiv zu verändern, wie etwa die Einführung von überregionalen Schulimpfprogrammen und der ärztlichen Impfberatung durch eine bessere Honorierung mehr Spielraum und Stellenwert einzuräumen.
Ärztliche Beratung als Schlüssel zur Steigerung der Impfquoten
Ärztinnen und Ärzte spielen eine entscheidende Rolle bei der Kommunikation über die präventiven Vorteile von Schutzimpfungen. Die Bedeutung dieser ärztlichen Leistung für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung sollte durch unterstützende Maßnahmen, wie eine bessere Honorierung von Impfaufklärung und Impfungen im Gesundheitssystem, gewürdigt werden. Eine Repräsentativbefragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zum Thema Impfungen zeigt, dass 98 Prozent der Befragten das persönliche Gespräch mit Ärztinnen und Ärzten als wichtigste Informationsquelle bewerten. Allerdings spiegelt sich der durch wachsende Impfskepsis erhöhte Beratungsbedarf derzeit nicht in der Honorierung wider.
Niedrige HPV-Impfquoten verdeutlichen unausgeschöpftes Präventionspotenzial
Die aktuelle Pressemeldung der BARMER zur HPV-Impfquote zeigt besorgniserregende Trends: Ein Rückgang der Impfungen um 23,5 Prozent von 2021 auf 2022 und insgesamt niedrige Impfraten, insbesondere bei Jungen, verdeutlichen Handlungsbedarf. Diese Zahlen machen deutlich, dass es in Deutschland wichtig ist, mehr Aufmerksamkeit für die Bedeutung der HPV-Impfung zu schaffen. Auch das Wissen über HPV und die Risiken, die von einer Infektion ausgehen, ist unzureichend: 21 Prozent der befragten Eltern waren in einer BZgA-Umfrage nicht über die Impfempfehlung für HPV informiert, und 63 Prozent wussten nicht, dass die Impfung auch für Jungen empfohlen ist. Nicht nur die HPV-Impfung ist von niedrigen Impfquoten betroffen. Bereits im Juli schlugen Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Unicef Alarm, da sie weltweit seit der Corona-Pandemie einen Rückgang bei allen Schutzimpfungen beobachten und führen das auch auf Falschinformationen von Impfskeptikern und eine allgemein steigende Impfskepsis zurück.
Berufspolitische Forderungen zur Erhöhung der Impfquote
Um die HPV-Impfquoten nachhaltig zu erhöhen und die Gesundheit der Bevölkerung besser zu schützen, schlägt der BVF folgende Maßnahmen vor:
Implementierung von umfassenden Gesundheitsinformationen und Impfaufklärung in Schulen: Durch die Einführung schulbasierter Impfprogramme und die Integration der HPV-Impfaufklärung in die Lehrpläne können Eltern und Schüler frühzeitig sensibilisiert und zur Impfung ab 9 Jahren motiviert werden. Europäische Länder mit höheren Durchimpfungsraten (bspw. Frankreich) haben gezeigt, dass solche Maßnahmen effektiv sind.
Übernahme der Mädchensprechstunde M1 in die Regelversorgung: Eine regelmäßige Mädchensprechstunde (M1) sollte Teil der allgemeinen Gesundheitsversorgung werden, um jungen Mädchen eine gezielte Aufklärung und Beratung auch zur HPV-Impfung zu bieten. Dies würde sicherstellen, dass die Impfempfehlung klar kommuniziert wird und die Vorteile der HPV-Impfung besser verstanden werden.
Angemessene Honorierung der ärztlichen Impfberatung durch Krankenkassen: Eine bessere Vergütung für die Impfberatung könnte Ärztinnen und Ärzte dazu ermutigen, das Thema aktiver anzusprechen und ausführlicher zu beraten. Studien und Erfahrungen aus anderen Ländern (bspw. Niederlande, USA) zeigen, dass persönliche ärztliche Empfehlungen eine der wirksamsten Methoden sind, um die Impfbereitschaft und die Impfquoten zu erhöhen. Ärztinnen und Ärzte sind hier eine Schlüsselrolle bei der qualitativen und evidenzbasierten Impfberatung.
Einführung eines strukturierten Impferinnerungssystems: Krankenkassen sollten proaktiv agieren und ein Erinnerungssystem für ungeimpfte oder unvollständig geimpfte Kinder implementieren. Dieses System könnte helfen, die Impflücken frühzeitig zu erkennen und die betroffenen Familien gezielt anzusprechen.
Dr. Cornelia Hösemann, Vorstandsmitglied sowie Mitglied der Sächsischen Impfkommission zu dem erneuten Impfrückgang: „Die aktuellen Zahlen zur HPV-Impfquote sind erneut ein klarer Weckruf. Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen von Ärztinnen und Ärzten, Krankenkassen und Bildungseinrichtungen, um das volle Potenzial der HPV-Impfung auszuschöpfen und präventiv die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Nur durch eine koordinierte Herangehensweise und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, können wir die Impfquote signifikant steigern und viele Menschen vor HPV-bedingten Erkrankungen bewahren.“
Quellen und weitere Informationen:
- Cox „EU HPV Consumer Awareness Study“ Ipsos MORI, März 2019
- „RKI Ratgeber Humane Papillomviren“ Epidemiologisches Bulletin 27/2018, hrsg. Robert-Koch-Institut, Berlin
- BZgA – Infektionsschutzstudie 2018
- RKI Impfempfehlungen
- Barmer Arzneimittelreport 2024
- WHO / UNICEF – Weltweite Impfdaten
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