Long COVID: Aktualisierte Übersicht der Behandlungsmöglichkeiten
Die vielfältigen Symptome, die nach Abklingen der akuten Erkrankung COVID-19 bestehen bleiben, werden unter dem Begriff Long COVID zusammengefasst. Forscher ermittelten nun in einem Review über 218 Studien, was genau Long COVID umfasst und welche Behandlungen eingesetzt oder klinisch erforscht werden. Je nach betroffenem Organsystem werden Behandlungen wie Atemübungen, Vitamin C, Probiotika oder Antikörper gegen entzündliche Prozesse aktuell klinisch untersucht.
Die Coronavirus-Pandemie ist eine so noch nicht dagewesene Situation, die weltweit nicht nur zu akut Erkrankten und Todesfällen, sondern auch zu langfristigen, häufig massiv beeinträchtigenden Symptomen geführt hat. Diese Symptome, die nach Abklingen der akuten Erkrankung bestehen bleiben, werden unter dem Begriff Long COVID zusammengefasst. Nach der Definition des National Institute for Health and Care Excellence (NICE) sind damit Symptome gemeint, die nach der Akuterkrankung bestehen bleiben oder sich neu entwickeln und nicht durch andere Diagnosen erklärbar sind.
Forscher ermittelten nun in einem Review, was genau Long COVID umfasst und welche Behandlungen für Long COVID eingesetzt oder klinisch erforscht werden. Dazu durchsuchten sie die medizin-wissenschaftlichen Datenbanken PubMed und Embase nach Studien, die zwischen Januar 2020 und Mai 2021 veröffentlicht wurden. Aus 227 Artikeln zu Long COVID, die die Wissenschaftler lasen, berücksichtigten sie 218 Studien für diesen Review.
Review: Was ist Long COVID, und wie wird es behandelt?
Demnach zeigt sich Long COVID in verschiedensten Organen, ähnlich zu der akuten Erkrankung COVID-19. Betroffen sind, unter anderem, respiratorische, kardiovaskuläre, neurologische, gastrointestinale und muskuloskelettale Systeme. Typische Symptome von Long COVID umfassen Fatigue, Dyspnea, kardiale Auffälligkeiten, kognitive Beeinträchtigungen, Schlafstörungen, Symptome einer post-traumatischen Stressstörung, Muskelschmerz, Konzentrationsschwierigkeiten und Kopfschmerz.
Die Behandlung spezifischer Organ-Symptome erfolgt ja nach genauer Diagnose der COVID-19-Folgen, etwa Atemnot oder Herzrhythmusstörungen. Dabei gibt es mehr oder weniger etablierte Behandlungsmethoden, die auch bei Long COVID eingesetzt werden können. So spielen bei Atemnot die Reduzierung von weiteren reizenden Faktoren wie Rauchen und Atemübungen eine wichtige Rolle. Bei Herzproblemen kann dagegen häufiger medikamentös behandelt werden, je nach konkreter Diagnose beispielsweise mit Betablockern. Die Fatigue stellt bisher Behandelnde und Betroffene vor besonders große Schwierigkeiten. Ansätze umfassen hierbei kognitive Verhaltenstherapie und ein Anpassen der Arbeitslast im Alltag, um sich weniger zu überfordern (sogenanntes Pacing).
Klinische Studien zu Therapieansätzen
Verschiedene Behandlungen werden derzeit klinisch geprüft. Zu solchen in klinischen Studien untersuchten Ansätzen sind folgend die Kürzel angegeben, unter denen die Studien im US-amerikanischen Studienregister clinicaltrials.gov gefunden werden können. Aufgeführt ist hier eine Auswahl der Studien. Derzeit können im Studienregister 153 aktive oder rekrutierende Studien mit Themenschwerpunkt „Long COVID“ gefunden werden (Stand. 08.12.2021).
Behandlungsansätze, die aktuell zu respiratorischen Symptomen erforscht werden, sind:
- Hyperbarischer Sauerstoff (NCT04842448)
- Montelukast (NCT04695704)
- Deupirfenidone (NCT04652518)
- Atemübungen und Singen (NCT04810065)
Aus der Forschung zu anderen Erkrankungen kommen darüber hinaus Ansätze zur Behandlung mit Natriumpyruvat (Nasenspray, NCT04871815) oder mit Interferon (NCT04732949).
Bei Fatigue stehen folgende Ansätze zurzeit im Fokus der Forschung:
- Sportprogramm bzw. multidisziplinäre Programme inklusive Bewegung (NCT04841759, NCT04900961, NCT04961333)
- Vitamin C-Supplementierung (NCT04401150)
Kognitive Symptome und Fatigue sollen außerdem womöglich mit der Nahrungsergänzung Nicotinamid-Ribosid (wasserlösliches Vitamin B3) behandelt werden können (NCT04809974, NCT04604704), das vermutlich entzündliche Prozesse moduliert. Zudem wird geprüft, ob kognitive Folgen wie Ängste, Fatigue und Depression mit transkranieller Elektrostimulation, ergänzend zu einer Lungen-Reha, gelindert werden können (NCT05126511) oder mit Vortioxetin (NCT05047952).
Speziell zum Verlust oder der Veränderung des Geruchs- und Geschmackssinnes gilt besonders Riechtraining als effektiv und wird weiterhin geprüft (NCT04964414, NCT04710394, NCT04598763), teils unterstützt von zusätzlichem Omega-3-Fettsäuren (NCT04495816).
Mit Fokus auf kardiovaskuläre Folgen von COVID-19 werden aktuell klassische Antikoagulantien und Lipidsenker auf ihre Wirksamkeit untersucht (NCT04801940). Zur Wiederherstellung des Darmmikrobioms und zur Dämpfung der entzündlichen Prozesse werden auch Probiotika untersucht (NCT04813718).
Allgemein gegen eine Entwicklung des Long COVID genannten Syndroms werden verschiedene Medikamente geprüft, beispielsweise Metformin oder Fluvoxamin (NCT04510194), Nahrungsergänzungen wie Coenzym Q10(NCT04960215). Weiter werden folgende mögliche Therapien zur Hemmung der starken inflammatorischen Prozesse untersucht, die bei COVID-19, aber auch bei Long COVID eine zentrale Rolle spielen:
- Monoklonaler Antikörper Leronlimab (NCT04343651, NCT04347239, NCT04678830)
- Monoklonaler Antikörper Tocilizumab (NCT04330638)
- Ergänzende Therapien (Adaptogene) (NCT04795557)
Vielzahl von Therapieansätzen und laufenden Studien
Long COVID wird also, so das Fazit des Reviews über mehr als 200 Studien, meist je nach betroffenem Organsystem spezifisch behandelt. Derzeit wird zudem eine Reihe von Medikamenten zur Behandlung von Long COVID klinisch geprüft. Vor allem für Symptome, die bislang noch unzureichend behandelbar sind, wie Atemnot, Fatigue oder kognitive Einschränkungen, ist zu hoffen, dass diese laufenden Studien rasch positive Ergebnisse liefern werden.
Unsere darüber hinausgehende Analyse der aktuellen Studienlage (clinicaltrials.gov) zeigt eine zunehmende Vielfalt der klinischen Ansätze, die komplexen Folgen von COVID-19 anzugehen.
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