Mandelentfernung kann Risiko für Asthma und COPD erhöhen
Früher wurden die Mandeln häufig entfernt. Aufgrund seltener, aber bisweilen lebensbedrohlicher Komplikationen sind Mandelentfernungen heute seltener. Eine aktuelle Untersuchung aus Dänemark zeigte nun, dass die Entfernung der Mandeln auch langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann.
Die Mandeln sind ein Teil unseres Immunsystems. Insgesamt hat jeder Mensch vier Mandeln, die sich im Mund- und Rachenraum verteilen. Die Zungenmandel befindet sich am Ende der Zunge, die Rachenmandel (auch Polypen genannt) am Übergang zwischen Rachenraum und Nase. Die Gaumenmandeln sind links und rechts am Ende unseres Munds. Sie sind die Mandeln, die man beim Blick in den Spiegel gut selbst sehen kann.
Bei Dauerproblemen mit Mandeln ist Entfernung möglich
Kommen die Mandeln mit Krankheitserregern in Kontakt, wird das Immunsystem aktiv. So können Erreger bereits hier effektiv bekämpft werden. Die Mandeln helfen also dabei, Krankheitserreger frühzeitig abzuwehren, auch wenn sie sich dabei gerne mal schmerzhaft bemerkbar machen. Bleiben die Gaumenmandeln oder die Rachenmandeln dauerhaft vergrößert, können sie zu Atemproblemen und Dauerschnupfen führen. Hier kann es sinnvoll sein, die Mandeln ganz oder teilweise zu entfernen.
Zahl der Mandel-OPs sinkt
Früher wurden die Mandeln recht häufig entfernt, manchmal sogar vorsorglich. Heute werden Mandeloperationen zwar seltener durchgeführt, sie sind aber immer noch die häufigste Operation bei Kindern. Zum Rückgang der Mandeloperationen hat sicherlich auch geführt, dass als seltene, aber gerade bei Kindern lebensgefährliche Komplikation, Nachblutungen auftreten können.
Große Studie untersucht erstmals Zusammenhang zwischen Mandel-OP und langfristiger Gesundheit
Eine aktuelle Studie aus Dänemark zeigte, dass es auch für die langfristige Gesundheit wichtig ist zu prüfen, ob eine Mandeloperation wirklich angebracht ist. In einer großen Studie wurde nämlich erstmals der Zusammenhang zwischen Mandelentfernungen und dem Auftreten von einer Vielzahl von Erkrankungen untersucht. Dabei zeigte sich für die meisten Erkrankungen ein erhöhtes Risiko nach der Entfernung der Mandeln.
Umfangreiche Daten aus dänischen Gesundheitsregistern
Die dänischen Forscher werteten Daten von etwa 1,2 Millionen Kindern aus, deren Gesundheitsdaten in verknüpften Registern erfasst wurden. Mehr als 60000 Kindern, die zwischen 1979–1999 geboren wurden, wurden bis zum neunten Lebensjahr die Mandeln entfernt. Dem stellten die Forscher eine Kontrollgruppe gegenüber, die im Gesundheitszustand etwa dem der Kinder vor der OP entsprach. Dann verglichen sie, wie häufig in den beiden Gruppen 28 verschiedene Erkrankungen bis zum 30. Lebensjahr auftraten.
Risiko steigt besonders für Asthma, COPD und Bindehautentzündungen
Bei 78 % der Erkrankungen zeigte sich in der Gruppe mit Mandelentfernung ein erhöhtes Risiko. Besonders deutlich war das bei Erkrankungen der oberen Atemwege, die auch zu Asthma führen können (zwei bis dreifach erhöhtes Risiko). Für die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) zeigte sich ein doppelt so hohes Risiko. Auch Bindehautentzündungen traten etwa doppelt so oft nach Mandelentfernungen auf. Außerdem stieg das Risiko für Infektionen nach der Mandelentfernung an.
Entfernung der Mandeln löst bestehende Probleme laut Studie oft nicht
Für die Probleme, die mit der Mandelentfernung eigentlich behandelt werden sollten, wie Mandelentzündungen und Mittelohrenzündungen, war die Häufigkeit bei Kindern mit und ohne Mandel-OP in etwa gleich. Von 21 Krankheiten, die durch eine Mandelentfernung behandelt werden sollten, traten 14 genauso häufig oder noch häufiger nach einer Mandelentfernung auf.
Forscher mahnen dazu, langfristige Konsequenzen vor Mandel-OP zu bedenken
Langfristig scheint eine Mandelentfernung also oftmals ihr Ziel zu verfehlen und zusätzlich das Risiko für weitere Erkrankungen zu erhöhen. Die dänischen Forscher betonen aber, dass es trotz sorgfältiger Kontrollen nicht ganz auszuschließen ist, dass bestimmte Zusammenhänge die Ergebnisse verzerren. So sei es beispielsweise möglich, dass Kinder, denen die Mandeln entfernt wurden, bereits vor der OP anfälliger für Infektionen waren und es auch nicht auszuschließen sei, dass deren Krankheitsrate ohne die OP noch höher ausgefallen wäre. Die Forscher sind aber überzeugt: „Die langfristigen Konsequenzen dieser Eingriffe sollten sorgfältig bedacht werden“.
Referenz: Sean G. Byars, Stephen C. Stearns, Jacobus J. Boomsma. Association of Long-Term Risk of Respiratory, Allergic, and Infectious Diseases With Removal of Adenoids and Tonsils in Childhood. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg. Published online June 7, 2018. doi:10.1001/jamaoto.2018.0614 Univadis-Beitrag „Dänische Fall-Kontroll-Studie erfasst Langzeitfolgen von Mandeloperationen“ vom 13.06.2018 Gesundheitsinformationen.de „Wie funktionieren die Mandeln?“ Stand 7. Januar 2015, herausgegeben vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)