Migräne-CGRP bringt auch die Verdauung durcheinander
Die vorliegende Studie ermittelte gastrointestinale Effekte mit einer CGRP-Infusion über 2 Stunden, dem Eiweiß, das bei der Migräne eine wichtige Rolle spielt. In der Doppelblindstudie wurden gesunde Teilnehmer entweder mit einem Triptan vorbehandelt, das die CGRP-Wirkung reduzieren sollte, oder erhielten ein Placebo. Die Infusion mit CGRP rief häufige und teils ernste Symptome im Verdauungstrakt hervor, die nicht durch Sumatriptan, entsprechend einer Entfernung des CGRP, gebessert wurden. Die Autoren spekulieren, Verstopfung bzw. Darmträgheit könne eine mögliche Nebenwirkung von CGRP-Rezeptor-Antagonisten, nicht aber von CGRP-Antikörpern sein, und betonen, dass gastrointestinale Nebenwirkungen der Antikörper-Behandlung besser dokumentiert werden sollten.
Die monoklonalen Antikörper gegen das Calcitoningen‐bezogene Peptid (CGRP) oder seinen Rezeptor stellen neue Antimigräne-Medikamente dar, von denen viele Patienten deutlich profitieren. Aus den Studien wurden nur sehr wenige Nebeneffekte berichtet, darunter auch sehr wenige gastrointestinale Nebenwirkungen. Die vorliegende Studie ermittelte gastrointestinale Effekte mit CGRP-Infusion über 2 Stunden. In der Doppelblindstudie wurden gesunde Teilnehmer entweder mit einem Triptan vorbehandelt, um die CGRP-Wirkung zu reduzieren, oder erhielten ein Placebo.
Die ursprüngliche Studienhypothese war, dass die Infusion mit CGRP mehr Kopfschmerzen bei gesunden Probanden auslösen sollte als die in sonstigen Studien üblichen 20 Minuten der Infusion – und dass die Vorbehandlung mit Sumatriptan einen signifikanten Effekt auf diese Kopfschmerzen haben sollte. Diese Studiendaten und das ernüchternde Ergebnis wurden zuvor berichtet (Falkenberg et al. 2020). Hier wurde nun der Schwerpunkt auf CGRP-Nebenwirkungen im Verdauungstrakt gelegt.
CGRP-Infusion bei gesunden Teilnehmern nach Triptan- oder Placebo-Vorbehandlung
Gesunde Menschen erhielten an 2 unterschiedlichen Tagen jeweils über 2 Stunden eine Infusion mit CGRP (1,5 µg/Minute). An einem Tag erfolgte eine Vorbehandlung mit Sumatriptan-Tabletten (2 × 50 mg), an dem anderen Tag mit einem Placebo. Während der Infusion wurden die Teilnehmer zu Nebenwirkungen befragt, auch zu detaillierten Beschreibungen der GI-Symptome. Klinische Beobachtungen wie Blähungen, Rumpeln im Bauch oder Stuhlgang während der Infusion (Bettpfanne) wurden zusätzlich dokumentiert. Nach der Infusion füllten die Teilnehmer zuhause einen Fragebogen über mögliche Nebenwirkungen aus, die bis 12 Stunden nach Infusionsbeginn auftraten. Die Studie wurde im dänischen Kopfschmerzzentrum der Klinik Rigshospitalet Glostrup zwischen Februar 2018 und Jul 2018 durchgeführt.
30 Menschen wurden zur Teilnahme gewonnen. An beiden Studientagen (sowohl mit Sumatriptan-Vorbehandlung als auch mit Placebo) wurden bei 93 % (27/29) der Teilnehmer Symptome des Verdauungstrakts festgestellt. Rumpeln, Magenschmerzen, Übelkeit, Durchfall und Stuhldrang waren die am häufigsten verspürten gastrointestinalen Nebenwirkungen. Es gab keinen Unterschied zwischen Symptomen mit Sumatriptan- oder Placebo-Vorbehandlung.
Migräne-CGRP bringt die Verdauung durcheinander
Die Forscher schließen, dass eine zweistündige Infusion mit CGRP häufige und teils ernste Symptome im Verdauungstrakt hervorruft. Solche Symptome sind Migränepatienten teils auch sehr vertraut. Die Symptome wurden nicht durch Sumatriptan verbessert. Die Autoren ziehen den Vergleich zu Antikörpern gegen CGRP und den CGRP-Rezeptor und spekulieren, dass das Blockieren des CGRP-Rezeptors gegenteilige Effekte zu den hier gesehenen, durch reines CGRP ausgelösten, Effekte mit sich bringen könnte. Entsprechend könnte beispielsweise Verstopfung bzw. Darmträgheit eine mögliche Nebenwirkung von CGRP-Rezeptor-Antagonisten sein, die eventuell selten als Effekt der Antikörperbehandlung wahrgenommen und womöglich nicht ausreichend dokumentiert wird. Speziell Konstipation wurde als eine der häufigeren Nebenwirkungen bei der Behandlung mit manchen der Migräne-Antikörper aufgelistet. Die Autoren betonen, dass aufgrund der breiten Verteilung der CGRP-Rezeptoren im Körper besonders im langfristigen Einsatz der neuen Medikamente stärker auf solche Effekte geachtet werden muss und diese auch konkreter erfragt und dokumentiert werden sollten.
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Referenz: Falkenberg, Katrine, Helene Rønde Bjerg, and Jes Olesen. “Two‐Hour CGRP Infusion Causes Gastrointestinal Hyperactivity: Possible Relevance for CGRP Antibody Treatment.” Headache: The Journal of Head and Face Pain 60, no. 5 (May 30, 2020): 929–37. https://doi.org/10.1111/head.13795.
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