Migräne: Real-life Kohortenstudie zeigt Wirksamkeit von Erenumab
Die Sicherheit und Wirksamkeit des monoklonalen Antikörpers Erenumab wurde bereits in früheren Studien demonstriert. Eine real-life Kohortenstudie in Italien untersuchte nun die Wirksamkeit in der Alltagspraxis bei episodischer und chronischer Migräne und ermittelte, ob prognostische Faktoren für die Wirkung abgeleitet werden können.
Erenumab, ein monoklonaler Antikörper gegen das häufig “Migräneeiweiß” genannte CGRP, wurde nun in der Alltagsbehandlung auf seine Wirksamkeit zur Vorbeugung der Migräne überprüft. Bisherige Studien der Phase II und III demonstrierten bereits seine Sicherheit und Wirksamkeit bei episodischer und chronischer Migräne. Offen ist allerdings noch, ob bestimmte individuelle Faktoren eine besseren Behandlungserfolg versprechen als andere – also prognostisch nützlich sein könnten. Dies wurde nun in einer real-life Kohortenstudie in Italien untersucht.
Real-life Multizentren-Kohortenstudie
In dieser Multizentrenstudie wurden prospektive Behandlungsdaten aus der Alltagsroutine erhoben und analysiert. Die untersuchte Kohorte bestand aus Patienten zwischen 18 und 65 Jahren, die unter hoch-frequenter episodischer (HFEM) oder chronischer Migräne (CM) litten. Die Betroffenen mit oder ohne Medikamentenübergebrauch wurden zwischen Dezember 2018 und September 2019 in einem von 9 italienischen Kopfschmerzzentren behandelt. Jeder Patient in dieser Studie erhielt 70 mg Erenumab, das alle 4 Wochen subkutan verabreicht wurde. Die Behandlungsdauer war für 6 bis 12 Monate geplant, hing allerdings von dem individuellen Ansprechen des Patienten ab.
Vorrangig wurde untersucht, wie sich die Zahl monatlicher Migränetage nach 9–12 Wochen im Vergleich zur Grundlinie (vor Behandlungsbeginn) entwickelte. Sekundärer Endpunkt war die Veränderung der monatlichen Schmerzmitteleinnahme, die Rate der Patienten, die gut auf die Behandlung ansprachen, also der Responder, mit Unterscheidung der mindestens 50%-, 75%- und der 100%-igen Responder, sowie Veränderungen in der Einschätzung der Kopfschmerzintensität (visuelle Analogskala) und der Belastung durch die Kopfschmerzerkrankung (Headache Impact Test, HIT).
Analyse von 372 Migränepatienten in Erenumab-Behandlung
Insgesamt wurden 372 Patienten mit mindestens einer Dosis von Erenumab (70 mg) behandelt. Nach 9–12 Wochen sank die Zahl monatlicher Migränetage um 4,5 Tage (± 4,1 Tage, Standardabweichung SD) bei Patienten mit hochfrequenter episodischer Migräne. Patienten mit chronischer Migräne gewannen 9,3 Tage ohne Migräne (± 9.1 Tage, SD) im Vergleich zur Grundlinie hinzu.
Im Gegensatz zur Häufigkeit der Attacken war nach Einschätzung mittels visueller Analogskala VAS die Kopfschmerzstärke nicht klar verbessert. Nach 9–12 Wochen sank der VAS-Wert um 1,9 Punkte (± 1.9, SD) bei Patienten mit hochfrequenter epsiodischer Migräne, und um 1,7 Punkte (± 2,0, SD) bei Patienten mit chronischer Migräne.
Die Belastung durch die Krankheit sank trotzdem messbar. Der HIT-Wert sank bei HFEM-Patienten um 10,7 Punkte (± 8,8, SD), ebenso mussten die Patienten weniger Schmerzmittel im Monat einnehmen (Grundlinie: 12,0 Einheiten Schmerzmittel, nach 9-12 Wochen: 5,0 Einheiten Schmerzmittel). Bei CM-Patienten sank der HIT-Wert um 9,7 Punkte (± 10,4, SD), die monatliche Schmerzmitteleinnahme sank von 20,0 auf 8,0 Einheiten. In Woche 12 konnten 60 von 101 HFEM-Patienten als mindestens 50%-ige Responder gewertet werden (59,4 %) sowie 146/263 (55,5 %) CM-Patienten. 16,8 % der HFEM-Patienten besserten ihre Symptome um mindestens 75 % (17/101) sowie 22,4 % der CM-Patienten (59/263). Migränefrei, also 100%-ige Responder waren zu diesem Zeitpunkt eine Person mit HFEM (1,0 %) und 3 Menschen mit CM (1,1 %).
Das Ansprechen auf Erenumab bei Patienten mit HFEM war positiv mit einer einseitigen Schmerzlokalisation assoziiert (Odds ratio OR: 3,03, 95 % Konfidenzintervall: 1,24–7,40; p = 0,015). Bei Patienten mit chronischer Migräne war das Ansprechen dagegen positiv mit der anfänglichen Migränefrequenz assoziiert (OR: 1,06, 95 % CI: 1,02–1,11; p = 0,031) sowie mit dopaminergen Symptomen (OR: 2,01, 95 % CI: 1,14–3,52; p = 0,015). Ein negativer Zusammenhang bestand dagegen bei chronischer Migräne mit psychischen Begleiterkrankungen (OR: 0,43, 95 % CI: 0,20–0,93; p = 0,003).
Effektiv bei hochfrequenter und chronischer Migräne
Die Behandlungsergebnisse aus der Alltagspraxis 9 italienischer Kopfschmerzzentren zeigten somit, dass Erenumab (70 mg) wirksam als Migräneprophylaxe eingesetzt werden kann. Die Studie zeigte zudem bestimmte Patientenbilder auf, die eine bessere Prognose des Ansprechens ermöglichen könnten.
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Referenz: Barbanti, Piero, Cinzia Aurilia, Gabriella Egeo, Luisa Fofi, Sabina Cevoli, Bruno Colombo, Massimo Filippi, et al. “Erenumab in the Prevention of High‐frequency Episodic and Chronic Migraine: Erenumab in Real Life in Italy (EARLY), the First Italian Multicenter, Prospective Real‐life Study.” Headache: The Journal of Head and Face Pain, December 18, 2020, head.14032. https://doi.org/10.1111/head.14032.