Darmkrebs trotz Darmspiegelung: Deutliche Unterschiede je nach Qualität der Untersuchung
Darmspiegelungen sind ein effektiver Weg, Darmkrebs vorzubeugen. Bei der Untersuchung können Krebsvorstufen erkannt und entfernt werden. Forschende vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS in Bremen bestätigen jetzt zwar diese präventive Wirkung, zeigen aber auch, dass es von den durchführenden Ärztinnen und Ärzten abhängt, wie gut eine Darmspiegelung vor Darmkrebs schützt. Die Ergebnisse der Studie wurden im Journal of Clinical Epidemiology veröffentlicht. Die Forschenden sehen Handlungsbedarf.
Ab einem Alter von 50 Jahren wird es in Deutschland jedem empfohlen: die Darmkrebs-Früherkennung. Bei der sogenannten Darmspiegelung (Koloskopie) wird ein dünner Schlauch mit einer Kamera durch den After in den Darm geschoben. Der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin kann dann den Darm auf Krebsvorstufen untersuchen und diese unmittelbar entfernen.
Unterschiedlicher Schutz vor Darmkrebs
Um die Ärztinnen und Ärzte nach Koloskopie-Qualität einzuteilen, berechneten die Forschenden zunächst ein gängiges Qualitätsmaß, nämlich die sogenannte Detektionsrate. Anschließend verglichen sie das Auftreten von Darmkrebs über 13 Jahre hinweg bei drei Personengruppen:
- A) Personen, die eine Früherkennungs-Koloskopie von hoher Qualität hatten
- B) Personen mit einer Früherkennungs-Koloskopie von niedrigerer Qualität und
- C) Personen ohne Früherkennungs-Koloskopie.
Insgesamt schlossen sie dabei mehr als 300.000 Personen in die Analysen ein. „Die gute Nachricht ist, dass auch eine Koloskopie mit niedrigerer Qualität das Darmkrebsrisiko senkt, verglichen mit Personen ohne Koloskopie. Allerdings ist die präventive Wirkung bei einer Koloskopie mit hoher Qualität um etwa ein Drittel stärker“, erklärt Dr. Sarina Schwarz, Erstautorin der Studie und Leiterin der Fachgruppe Translationale Krebsepidemiologie am BIPS.
Qualität von Darmspiegelungen soll weiter im Fokus bleiben
Darmspiegelungen unterliegen in Deutschland seit 2002 einem Qualitätssicherungsprogramm. Dieses regelt unter anderem, dass nur erfahrene Ärztinnen und Ärzte bestimmter Fachrichtungen Darmspiegelungen durchführen dürfen.
Eine frühere Studie des Teams aus dem Jahr 2023 zeigte, dass sich die Detektionsrate im Laufe der Zeit verbesserte: Während im Jahr 2008 noch etwa ein Drittel der Ärztinnen und Ärzte bei der Detektionsrate in der untersten Kategorie waren, waren es im Jahr 2017 nur noch etwa ein Viertel. „Die Qualität der Darmspiegelung in Deutschland hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten mit Sicherheit verbessert. Dennoch gibt es zum Teil noch Luft nach oben“, bekräftigt der Gastroenterologe PD Dr. med. Christian Pox, Chefarzt der Medizinischen Klinik im St. Joseph-Stift in Bremen und Mitautor der Studie.
„Unsere Ergebnisse verdeutlichen, wie wichtig die Qualität einer Koloskopie für die Prävention von Darmkrebs ist. In einem nächsten Schritt wollen wir untersuchen, ob die Qualität durch einen Online-Kurs für Ärztinnen und Ärzte gesteigert werden kann, der in einer US-amerikanischen Studie sehr gute Wirkung zeigte“, so Prof. Dr. Ulrike Haug, Leiterin der Abteilung Klinische Epidemiologie am BIPS und Letztautorin der Studie. Ihr ist es allerdings noch wichtig, hinzuzufügen: „Unsere Ergebnisse sollen die Vorsorgewilligen nicht verunsichern. Auch eine Darmspiegelung mit niedrigerer Qualität ist besser als keine!“
Was ist neu?
Die Studie aus dem Jahr 2023 war die erste, die für Deutschland zeigte, dass ein Zusammenhang zwischen der Detektionsrate der Ärztinnen und Ärzte und dem Auftreten von Darmkrebs nach einer Koloskopie besteht. In der aktuellen Studie verglichen die Forschenden erstmalig die präventive Wirkung von Früherkennungs-Koloskopien unterschiedlicher Qualität mit keiner Früherkennungs-Koloskopie. Dafür nutzten sie die Krankenkassendatenbank GePaRD, die 20 Prozent der deutschen Bevölkerung umfasst und den für diese Studien notwendigen langen Beobachtungszeitraum bietet. Durch das gewählte Studiendesign konnten sie die Gefahr von Verzerrungen minimieren, die bei Beobachtungsstudien ansonsten teilweise vorkommen.
Originalpublikationen
Schwarz S, Braitmaier M, Pox C, Kollhorst B, Didelez V, Haug U. 13-year colorectal cancer risk after lower-quality, higher-quality and no screening colonoscopy: A cohort study. Journal of Clinical Epidemiology. 2024. https://doi.org/10.1016/j.jclinepi.2024.111571
Schwarz S, Hornschuch M, Pox C, Haug U. Polyp detection rate and cumulative incidence of post-colonoscopy colorectal cancer in Germany. International Journal of Cancer. 2023 Apr 15;152(8):1547-1555. https://doi.org/10.1002/ijc.34375
Das BIPS – Gesundheitsforschung im Dienste des Menschen
Die Bevölkerung steht im Zentrum unserer Forschung. Als epidemiologisches Forschungsinstitut sehen wir unsere Aufgabe darin, Ursachen für Gesundheitsstörungen zu erkennen und neue Konzepte zur Vorbeugung von Krankheiten zu entwickeln. Unsere Forschung liefert Grundlagen für gesellschaftliche Entscheidungen. Sie informiert die Bevölkerung über Gesundheitsrisiken und trägt zu einer gesunden Lebensumwelt bei.
Das BIPS ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, zu der 96 selbstständige Forschungseinrichtungen gehören. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen, darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.
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