Post-Covid: Covid-19 hat langfristige Folgen für Herz und Gefäße
Was ist zu Long-/Post-Covid mit Blick auf Herz und andere Organe bekannt und welche Hilfsangebote für Betroffene gibt es?
Im dritten Jahr der Corona-Pandemie und bei über 30 Millionen erfassten Covid-19-Fällen in Deutschland (RKI) zeichnet sich ab, dass viele Betroffene nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 noch lange Beschwerden haben wie Herzrasen, Gedächtnisprobleme, Muskelschwäche und -schmerzen sowie lähmende Erschöpfung. Bis zu 30 Prozent der an Covid-19 Erkrankten geben nach der Infektion anhaltende Beschwerden an, die sich an ganz unterschiedlichen Stellen im Körper zeigen, auch am Herzen. Eine US-Studie fand zum Beispiel nach einem Jahr bei ehemals Covid-Erkrankten ein um über 70 Prozent erhöhtes Risiko für Herzinsuffizienz im Vergleich zu Nichtinfizierten. „Nach den Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre ist das Herz auch über den akuten Infekt hinaus gefährdet, einen Schaden davonzutragen“, betont Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Typische anhaltende Herzbeschwerden, über die Patienten in der Folge noch weiter klagen, sind dem Kardiologen zufolge „insbesondere Brustschmerzen, Herzstolpern und Herzrasen, Kurzatmigkeit sowie eingeschränkte körperliche Belastbarkeit und Schwäche nach körperlicher Belastung“. Die Krankheitsmechanismen sind unklar; am ehesten sind Autoimmunreaktionen dafür verantwortlich. Über die langfristigen Folgen von Covid-19 auf das Herz und was unter Long-/Post-Covid genau zu verstehen ist, informiert die Herzstiftung unter www.herzstiftung.de/post-covid-herzschaeden
Long-/Post-Covid: Über 200 Symptome
Inzwischen gibt es etliche Berichte und Studien über anhaltende Symptome nach Abklingen der eigentlichen Covid-19-Infektion. 200 verschiedene Symptome, die sich etwa zehn Organsystemen zuordnen lassen, sind beschrieben worden. Long-Covid hat sich als Überbegriff für anhaltende Beschwerden nach der Infektion etabliert. Ärzte differenzieren zwischen einem
– Long-Covid-Syndrom, wenn die Beschwerden länger als vier Wochen anhalten, und einem
– Post-Covid-Syndrom, wenn die Symptome mehr als zwölf Wochen andauern.
– Chronisches Covid-Syndrom wird häufig als Begriff genutzt, wenn die Beschwerden sogar mehr als ein halbes Jahr anhalten.
Allerdings: Alter, Vorerkrankungen und Schwere der Covid-19-Erkrankung sind keine verlässlichen Vorhersage-Parameter für das Risiko von Post-Covid. Nachgewiesen ist, dass Long-Covid bzw. Post-Covid offenbar Frauen häufiger trifft. Doch viele weitere Aspekte der Langzeitfolgen sind noch nicht geklärt.
Wohin kann man sich bei Post-/Long-Covid wenden?
Immer häufiger wenden sich Betroffene mit Beschwerden mehrere Wochen oder Monate nach einer Covid-Erkrankung an ihren Hausarzt oder an eine der rund 100 Post-Covid-Ambulanzen hierzulande. Die Bandbreite bei über 200 Symptomen, die sich unter dem Oberbegriff „Post-Covid“ sammeln, ist groß und kann „in individuell unterschiedlichen und phasenweise wechselnden Konstellationen auftreten“, wie Prof. Dr. Bernhard Schieffer, Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und internistische Intensivmedizin am Universitätsklinikum Marburg berichtet. Er leitet dort auch eine interdisziplinäre Post-Covid-Ambulanz. Neben Herzbeschwerden klagen die Patienten dort auch über neurologische und kognitive Symptome wie Seh- bzw. Konzentrationsstörungen oder Beschwerden der Lunge (Luftknappheit, Atemnot) sowie Abgeschlagenheit und Erschöpfung, die dem sogenannten Chronischen Fatigue-Syndrom (CFS) ähneln. Was zu den bisher vermuteten Ursachen von Long-Covid und Risikofaktoren bekannt ist und welche Hilfsangebote zur Verfügung stehen, erläutert der aktuelle Podcast „Long-Covid: Wer leidet besonders unter Langzeitfolgen?“ mit Prof. Schieffer und seiner Kollegin Dr. Ann-Christin Schäfer unter www.herzstiftung.de/podcast-longcovid
Langzeitfolgen für Herz und Kreislauf
Gerade Patienten mit einem vorerkrankten Herzen oder Risikofaktoren für Herzkrankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes mellitus sind für schwere Covid-19-Verläufe besonders gefährdet. US-Wissenschaftler haben sich in einer großen Studie (1) bei über 150.000 ehemaligen Militärangehörigen mit überstandener Covid-Erkrankung ein Jahr lang den Gesundheitsstatus angeschaut. Die Analyse ergab eine deutlich erhöhte Fallzahl an Vorhofflimmern und anderen Rhythmusstörungen, von koronarer Herzkrankheit (KHK) und Herzschwäche. So hatten Covid-Patienten nach einem Jahr ein um 72 Prozent höheres Risiko für eine Herzinsuffizienz im Vergleich zu Kontrollpersonen ohne Infektion. Daraus errechneten die Wissenschaftler, dass es auf 1.000 Infizierte 12 zusätzliche Fälle von Herzinsuffizienz und insgesamt 45 zusätzliche Fälle an einer der 20 untersuchten Herzkreislauf-Erkrankungen insgesamt gab. „Und dieses Risiko war auch bei Patienten erhöht, die vorher keine Anzeichen für eine Herzerkrankung hatten“, berichtet der Herzstiftungs-Vorsitzende Voigtländer. Laut einer schwedischen Studie (2) ist offenbar auch das Risiko für venöse Thromboembolien nicht nur in der Akutphase, sondern noch Monate nach der Infektion erhöht – vor allem bei Patienten mit schwerem Covid-19. In diesem Zusammenhang war vor allem die Gefahr einer Lungenembolie über die folgenden sechs Monate deutlich erhöht. „Schwer an Covid Erkrankte haben allerdings generell ein erhöhtes Risiko für Thrombosen und Herz- und Gefäßerkrankungen, bedingt allein durch die Bettlägerigkeit und durch den schweren Krankheitsverlauf“, so Voigtländer.
Long-Covid: Was zu Therapie und Schutzmaßnahmen bekannt ist
Die Behandlung von Post-Covid-Beschwerden orientiert sich in der Regel an der Symptomatik. Etablierte Behandlungsverfahren gibt es bislang nicht. Kardiologen der US-Fachgesellschaft ACC haben in ihrer Stellungnahme speziell zu langfristigen Herzbeschwerden allerdings Empfehlungen zusammengefasst (3). Sie unterscheiden dabei zwei Post-Covid-Formen (PASC=Post acute sequelae of Covid-19) mit jeweils verschiedenen Beschwerdebildern, die das Herz betreffen. Beide Formen, das PASC-cardiovascular syndrome (PASC-CVS) und das PASC-cardiovascular disease (PASC-CVD) unterscheiden sich grob gefasst darin, dass bei der Therapie von Patienten mit PASC-CVD – also definierten Herzschäden – die Behandlung der Herzerkrankung entsprechend den ärztlichen Leitlinien im Vordergrund steht. Bei der PASC-CVS richten sich die Empfehlungen an der Symptomatik aus. Beide Formen werden unter www.herzstiftung.de/post-covid-herzschaeden genauer erläutert.
Was können wir nun tun, um uns vor Long-/Post-Covid zu schützen? Kardiologe Prof. Schieffer verweist auf die Schutzmaßnahmen, die bereits für Covid-19 von Experten der US-Amerikanischen Kardiologenvereinigung ACC für Herz-Kreislauf-Patienten und Ältere mit einem erhöhten Risiko für schwere Covid-Verläufe empfohlen wurden: „Jeder sollte sein Risikoprofil optimieren und auf seinen Gesundheitsstatuts achten: regelmäßig mit Ausdauerbewegung aktiv sein, sich gesund ernähren. Auch sollte man seinen Immunstatuts durch Impfen gegen SARS-CoV-2, Influenza, Pneumokokken sowie Herpes Zoster, verbessern. Ältere Menschen sollten auch ihren Vitamin-D-Spiegel prüfen – und nicht zu vergessen die etablierten Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln.“
Quellen:
- Long-term cardiovascular outcomes of COVID-19Nat. Med. 2022, doi.org/10.1038/s41591-022-01689-3
- Risks of deep vein thrombosis, pulmonary embolism and bleeding after Covid-19, BMJ February 2022; doi.org/10.1136/bmj-2021-069590
- ACC Expert Consensus Decision Pathway on Cardiovascular Sequelae of COVID-19 in Adults; J Am Coll Cardiol. März 2022; DOI: 10.1016/j.jacc.2022.02.003
- Characterizing long COVID in an international cohort: 7 months of symptoms and their impact,E Clinical Med 2021; online 15. Juli; doi.org/10.1016/j.eclinm.2021.101019
Weitere: https://www.acc.org/~/media/665AFA1E710B4B3293138D14BE8D1213.pdf
Foto: Pexels / Anna Shvets