Entleerungsstörungen der Harnblase nach Operationen von tief infiltrierender Endometriose sind relativ häufig und glücklicherweise in den meisten Fällen reversibel. In einer ausführlichen Studie am Inselspital, Universitätsspital Bern, werden zwei Prognosemerkmale für Blasenentleerungsstörungen nach Endometriose-Operationen identifiziert und Massnahmen der Beratung skizziert.

Schätzungsweise 10 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter leiden an Endometriose. Die Krankheit wird oft nicht oder lange Zeit falsch diagnostiziert, da erst in neuerer Zeit eine Sensibilisierung stattgefunden hat (Endometriose-Woche). Etwa ein Fünftel aller Betroffenen entwickelt eine tief infiltrierende Variante, bei der die Endometriose weit in das Gewebe einwächst. Dabei können neben der Gebärmutter auch die Harnblase, der Darm und weitere Organe betroffen sein. In der vorliegenden Studie wurde das Endometriose-Klassifikationsmodell «ENZIAN» verwendet, das u. a. die Grösse, Tiefe und die Lage, Kompartiment genannt, berücksichtigt (vgl. dazu Abbildung im Anhang).
Entleerungsstörungen der Harnblase, auch Miktionsstörungen genannt, nach einer Endometriose-Operation sind ein häufiges Problem für Frauen. Ein bleibender Restharn kann zu Harnwegsinfektionen, Schaden an der Blasenwand und bleibenden Blasenfunktionsstörungen führen. Eine frühzeitige Erkennung und das Bewusstsein für Risikofaktoren erlauben eine angepasste Beratung und spielen deshalb eine entscheidende Rolle.

Fast alle Blasenentleerungsstörungen sind reversibel

Die Studie bestätigt zunächst die Häufigkeit vorübergehender Miktionsstörungen nach einer tief infiltrierenden Endometriose-Operation. Direkt nach der Operation wiesen 41 Prozent der Patientinnen eine Blasenentleerungsstörung auf. Bei der Spitalentlassung waren es nur noch 11 Prozent.  Nach durchschnittlich 41 Tagen (Median) waren die Störungen behoben. Dagegen sind anhaltende Fehlfunktionen der Blasenentleerung sehr selten (1 Fall bei 198 Patientinnen in der Studie).
Entscheidend für eine rasche Rückkehr zu einer normalen Blasenfunktion sind das Erkennen der Problematik und die Therapie mit einer sorgfältigen Anleitung zu einer zeitweisen (intermittierenden) Selbst-Katheterisierung (Intermittent Self-Catetherisation ISC).

Kriterien für erhöhte Vorsichtsmassnahmen ermittelt

Die Auswertung zeigte vorwiegend zwei Prognosekriterien für mögliche, länger dauernde Komplikationen nach der Operation: Erstens müssen tiefe und grössere (> 3 cm) Endometrioseknoten der ENZIAN-Klassifikation im Kompartiment B (siehe Abb.) als besonders delikat bezeichnet werden. Dabei werden Gewebebänder hinter der Gebärmutter (Sakkrouterinligamente) befallen. Zweitens deuten Restharnmengen von mehr als 220 ml bei der ersten Kontrolle nach der Operation auf mögliche, längerdauernde Blasenentleerungsstörungen hin. Damit stehen sowohl vor, wie unmittelbar nach der Operation, klare Prognosekriterien für mögliche Miktionsstörungen durch eine Endometriose-Operation zur Verfügung.
Zwei Prognosefaktoren konnte die Studie dagegen als nicht aussagekräftig ausschliessen. Bisher war man davon ausgegangen, dass eine beidseitige Endometriose die postoperativen Miktionsstörungen verschlimmern würde. Ebenso war man der Ansicht, dass eine frühere Operation sich negativ auswirken würde. Beide Vermutungen konnten jedoch in dieser Studie nicht belegt werden und spielen möglicherweise eine geringere Rolle, als zunächst vermutet.

Offene Fragen

Über den direkten Zusammenhang zwischen der Endometriose, dem operativen Eingriff und dem Nervensystem bleibt vieles noch ungeklärt. Derzeit läuft an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Inselspital, Universitätsspital Bern eine Studie zur Urodynamik zum besseren Verständnis der Pathomechanismen der Endometriose. Seit Januar dieses Jahres konnte zudem eine schweizweite Datenbank, die Swiss Endometriosis Database, gestartet werden, die es erlauben wird, unter anderem die Blasenfunktionsstörungen bei tief infiltrierender Endometriose zu untersuchen. Ziel der Forschung ist es, die Risikoabschätzung vor der Operation und die Beratung der betroffenen Frauen weiter zu verbessern.

Forschende:

  • PD Dr. med. Sara Imboden, Leitende Ärztin, Team Endometriosezentrum, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital, Universitätsspital Bern
  • Prof. Dr. med. Michael Mueller, Co-Klinikdirektor und Chefarzt Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie
  • Prof. Dr. med. Annette Kuhn, Stv. Chefärztin Gynäkologie und Gynäkologische, Leiterin Uro-Gynäkologie Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital, Universitätsspital Bern

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