Gemeinsame Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN)

Düsseldorf/Berlin. Der infarkt-bedingte kardiogene Schock ist die schwerste Form des akuten Herzversagens und bleibt eine der größten Herausforderungen der interventionellen und intensivmedizinischen Versorgung kardiovaskulärer Patientinnen und Patienten. Die Sterblichkeit ist mit 40-50% nach 30 Tagen weiterhin hoch. Eine frühe Revaskularisation der Infarktläsion gilt als einzige evidenzbasierte Maßnahme zur Senkung der Sterblichkeit. Der zusätzliche Einsatz aktiver mechanischer Kreislaufunterstützung nimmt weltweit rapide zu. Bisher hoffte man, dass diese Systeme das Überleben nach dem kardiogenen Schock verbessern. Die Ergebnisse der ECLS-SHOCK Studie und einer Meta-Analyse sprechen gegen diese Annahme.

Hohes Komplikationsrisiko macht Behandlung zum Nullsummenspiel

Bislang gab es nur eine unzureichende Evidenz für den Einsatz einer veno-arteriellen Herzlungenmaschine (va-ECMO) bei einem akuten infarkt-bedingten Herzversagen. Jetzt hat Prof. Holger Thiele, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK) eine randomisierte klinische Studie im New England Journal of Medicine (ECLS-SHOCK Studie, doi: 10.1056/nejmoa2307227) sowie eine Meta-Analyse von randomisierten Studien mit individuellen Patientendaten im Lancet (doi: 10.1016/S0140-6736(23)01607-0) publiziert. „Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass das Verfahren der va-ECMO zwar den möglichen Vorteil einer kompletten Übernahme der Zirkulation bietet. Allerdings ist es auch häufig mit Komplikationen vergesellschaftet und der gewollte Benefit ist möglicherweise gar nicht vorhanden“, so Thiele.

Anpassung internationaler Leitlinien ist wahrscheinlich

Die zurzeit mit Abstand weltweit größte Studie zeigt, dass der Einsatz dieses sowohl in Deutschland als auch weltweit verbreiteten Verfahrens keinen statistisch signifikanten Vorteil in der Behandlung in Bezug auf die Sterblichkeit vorweisen kann. Zusammen mit Prof. Matthias Kochanek, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin e. V. (DGIIN), unterstreicht der DGK-Präsident, wie wichtig die Durchführung dieser Studie und Meta-Analyse war, um mehr Evidenz in der Behandlung bei der va-ECMO zu bekommen. „Die Ergebnisse werden sicher dazu führen, dass man die Empfehlungen internationaler Leitlinien zum Einsatz der va-ECMO beim infarkt-assoziierten kardiogenen Schock herunterstufen wird“, sagt Kochanek. Prof. Michael Böhm, Pressesprecher der DGK ergänzt: „Die neuen Schwerpunkte sollten einerseits auf der Prävention aber auch Beherrschung der zum Teil schwerwiegenden Blutungen liegen, die durch die mechanischen Systeme und Zugangswege ausgelöst werden. Andererseits muss der zusätzliche Entzündungsstimulus abgeschwächt werden. In einer Situation, in der sich ein kardiogener Schock entwickelt hat, ist weniger wahrscheinlich mehr.“

va-ECMO nur noch in Einzelfällen und weitere Daten sind notwendig

DGK und DGIIN betonen, dass unter Berücksichtigung dieser Studienergebnisse die Indikation zu einer Therapie mit va-ECMO in Deutschland und auch international mit großer Zurückhaltung gestellt werden sollte. Es mag Einzelfälle und ausgewählte Patientenpopulationen geben, die in dieser spezifischen klinischen Situation von einer va-ECMO profitieren könnten. Hierzu müssen aber klare klinische Prädiktoren identifiziert werden. Das Thema wird zukünftig weiter wissenschaftlich untersucht und Ergebnisse entsprechend interpretiert werden müssen.

Über die DGK:

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige, wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 12.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen, die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitreichende Informationen für Ärztinnen und Ärzte sowie medizinisches Fachpersonal, aber auch für Nicht-Mediziner:innen stellt die DGK auf Herzmedizin.de zur Verfügung.

Über die DGIIN:

Die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin e.V. (DGIIN) hat die Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der Lehre und der Krankenversorgung auf dem Gebiet der Internistischen Intensiv- und Notfallmedizin zum Ziel. So sollen Diagnostik- und Behandlungsoptionen für die zu behandelnden Patienten im Einflussbereich der Gesellschaft stetig aktualisiert und verbessert werden. Weitere Informationen finden sich auf der Webseite der DGIIN.

Foto: Pexels/ Anna Shvets