Bei einem epileptischen Anfall entladen sich plötzlich ganze Nervenzellgruppen gleichzeitig und führen dadurch zu ungewollten Bewegungen und Empfindungen. Die Möglichkeiten, Betroffenen zu helfen, sind begrenzt. Die nun aus der Charité und der Medizinischen Universität Innsbruck gegründete EpiBlok Therapeutics GmbH entwickelt eine Gentherapie, bei der ein Adeno-assoziiertes-Virus das Gen für das Neuropeptid Dynorphin gezielt in Neurone der betroffenen Hirnregion bringt. Ziel ist eine langfristige Unterdrückung von Anfällen, indem die Nervenzellen Dynorphin auf Vorrat produzieren und bei Bedarf ausschütten.

Charité BIH Innovation, der gemeinsame Technologietransfer der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), unterstützte die Gründer bei der Patentierung der zugrunde liegenden Erfindung.

„Gewitter im Kopf“ nennen Neurologen die Epilepsie: Schlagartig entladen sich ganze Nervenzellgruppen und verursachen damit ungewollte Bewegungen oder Befindensstörungen. Etwa 5% der Bevölkerung haben mindestens einmal im Leben einen solchen Anfall. Bei fokalen Epilepsien, bei denen der Anfallsursprung sich auf einen bestimmten Bereich des Gehirns konzentriert, versagen Medikamente häufig und haben starke Nebenwirkungen, die auch Lernen und Gedächtnis beeinträchtigen können. „Vielen Betroffenen können wir leider nicht wirklich gut helfen“, sagt Professorin Regine Heilbronn, Leiterin der Arbeitsgruppe Gentherapie an der Klinik für Neurologie der Charité – Universitätsmedizin und Mitgründerin der EpiBlok GmbH. „Selbst die Epilepsiechirurgie garantiert keine dauerhafte Anfallsfreiheit. Deshalb haben wir einen konzeptionell neuen Therapieansatz entwickelt.“

„Drug-on-Demand-Therapie“

Der neue Ansatz des Teams der neu gegründeten Epiblok GmbH beruht auf einem Genvektor, der direkt in den Fokus der Epilepsie eingebracht wird und dort dauerhaft schützende Neuropeptide produziert. Bei der fokalen Epilepsie ist häufig die Konzentration eines kleinen Eiweißstoffes zu niedrig, des Neuropeptids Dynorphin. Die Wissenschaftler*innen schleusten daher das Dynorphin-Gen mithilfe eines Genvektors in die betroffenen Nervenzellen ein. Diese begannen daraufhin, das Dynorphin-Peptid zu produzieren und zu speichern. Professor Christoph Schwarzer, Neuropharmakologe an der Universität Innsbruck, und Mitgründer von EpiBlok, erklärt das Besondere an der Therapie: „Es handelt sich in diesem Fall um eine „Drug on demand“-Therapie: Die Nervenzellen schütten das gespeicherte Peptid nur dann aus, wenn es gebraucht wird. Das ist der Fall, wenn die Nervenzellen in dauernder Erregung sind, wie zu Beginn eines epileptischen Anfalls. Das Dynorphin hemmt dann die Erregung, das Gewitter flaut ab.“

In Mäusen konnten die Wissenschaftler*innen bereits zeigen, dass die Gentherapie sicher ist und nach einmaliger Anwendung epileptische Anfälle zuverlässig für mehrere Monate unterdrückt. Als Vehikel für das Dynorphingen benutzen sie Adeno-assoziierte Virus-Vektoren (AAV), die für die Gentherapie einiger Krankheiten bereits klinisch zugelassen sind. Für die präklinischen Studien an der AAV-basierten Gentherapie gegen fokale Epilepsie erhielt Regine Heilbronn bereits eine Förderung in Höhe von 3,3 Millionen Euro über das GO Bio Programm des Bundesforschungsministeriums.

Auch Professor Christopher Baum, Vorsitzender des Direktoriums des BIH und Vorstand des Translationsforschungsbereiches der Charité, begrüßt die Ausgründung: „Um neue Entwicklungen der Gentherapie für Patient*innen mit bislang unzureichend behandelbaren Krankheiten verfügbar zu machen, brauchen wir unbedingt die große Tatkraft von Wissenschaftler*innen, die auch den Weg der Gründung gehen. In Berlin etablieren wir derzeit ein Ökosystem für Gen- und Zelltherapien, das die Startchancen für Gründer*innen weiter verbessern wird. EpiBlok entsteht zur richtigen Zeit am richtigen Ort. So kann aus Forschung Gesundheit werden.“

Nächster Schritt: Klinische Studie

Mit Hilfe der neu geründeten Firma will das Team um Regine Heilbronn und Christoph Schwarzer nun den Sprung in die Klinik wagen. „Mit der EpiBlok Therapeutics GmbH wollen wir den AAV-Vektor in größeren Mengen und in der geforderten hohen Qualität herstellen, um eine erste klinische Studie auf den Weg zu bringen.“ Bei der Gründung der EpiBlok GmbH wurde das Team um Regine Heilbronn vom SPARK-BIH-Programm unterstützt. Dr. Tanja Rosenmund, die Leiterin des SPARK Programms, freut sich über den gemeinsamen Erfolg: „Das Gründungsteam entwickelt die erste Gentherapie, die im Berliner SPARK Programm mit Fördermitteln, Coaching, Mentoring und Netzwerk unterstützt wurde. Ziel von SPARK ist es, Erfindungen aus den Lebenswissenschaften zu fördern, damit mehr neue Produkte und Therapien Patient*innen zugute kommen. Wir freuen uns, daß dieses hochinnovative Projekt nun im Rahmen der EpiBlok weiter entwickelt wird“.

Das Team Patente und Lizenzen von Charité BIH Innovation hat im April 2022 einen exklusiven Lizenzvertrag mit EpiBlok zur Nutzung der von der Charité zum Patent angemeldeten Erfindung der Firmengründer abgeschlossen. Dr. Bettina Büttner, Technologiemanagerin des Teams Patente und Lizenzen bei Charite BIH Innovation, kommentiert: „Patente und der Erwerb einer exklusiven Nutzungsserlaubnis sind eine wichtige Basis für eine Ausgründung, die eine kostenintensive Pharmaentwicklung anstrebt. Damit können Nachahmung durch Konkurrenten abgeblockt und das exklusive Vermarktungsrecht gesichert werden. EpiBlok ist die erste Ausgründung und die erste Lizenzpartnerin der Charité, die einen gentherapeutischen Behandlungsansatz verfolgt. Wir sind sehr gespannt auf die weitere Entwicklung und Fortschritte in dieser spannenden Behandlungsoption für fokale Epilepsien.“

Mehr Informationen zum SPARK-BIH-Programm finden Sie hier: https://www.bihealth.org/de/translation/innovationstreiber/innovation/spark-bih

Mehr Informationen zu EpiBlok finden Sie hier: https://www.go-bio.de/gobio/de/gefoerderte-projekte/_documents/gentherapie-gegen…

Über das Berlin Institute of Health in der Charité (BIH)

Die Mission des Berlin Institute of Health (BIH) ist die medizinische Translation: Erkenntnisse aus der biomedizinischen Forschung werden in neue Ansätze zur personalisierten Vorhersage, Prävention, Diagnostik und Therapie übertragen, umgekehrt führen Beobachtungen im klinischen Alltag zu neuen Forschungsideen. Ziel ist es, einen relevanten medizinischen Nutzen für Patient*innen und Bürger*innen zu erreichen. Dazu etabliert das BIH als Translationsforschungsbereich in der Charité ein umfassendes translationales Ökosystem, setzt auf ein organübergreifendes Verständnis von Gesundheit und Krankheit und fördert einen translationalen Kulturwandel in der biomedizinischen Forschung. Das BIH wurde 2013 gegründet und wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und zu zehn Prozent vom Land Berlin gefördert. Die Gründungsinstitutionen Charité – Universitätsmedizin Berlin und Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) waren bis 2020 eigenständige Gliedkörperschaften im BIH. Seit 2021 ist das BIH als so genannte dritte Säule in die Charité integriert, das MDC ist Privilegierter Partner des BIH.

Foto: Adobe Stock / Monet