Ältere Menschen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten und niedrigem Ausbildungsniveau lehnen häufiger eine Impfung gegen Covid-19 ab als Personen mit gutem Einkommen und höherer Schulbildung. Dies zeigt eine europaweite Befragung eines Münchner Forschungsteams von Menschen ab 50 Jahren. In den meisten osteuropäischen und baltischen Staaten ist demnach die Impfunsicherheit und -verweigerung stärker ausgeprägt als im Westen, Süden und Norden Europas.

Wer sind die Menschen, die sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen wollen oder unschlüssig sind, obwohl sie der altersbedingten Risikogruppe angehören? Um mehr über ihre demografischen, sozioökonomischen und gesundheitlichen Merkmale herauszufinden, hat ein Forschungsteam des Lehrstuhls für Economics of Aging der TUM und des Max-Planck-Instituts für Sozialrecht und Sozialpolitik Daten des Survey on Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE) ausgewertet, das als die größte sozialwissenschaftliche Panelstudie Europas gilt. In der zweiten SHARE-Corona-Umfrage wurden von Juni bis Anfang August 47.000 Personen im Alter ab 50 Jahren in 27 europäischen Ländern und Israel befragt.

Große Unterschiede zwischen den Ländern

Rund 18 Prozent der Befragten gaben an, nicht geimpft worden zu sein. Allerdings gab es große Unterschiede zwischen den Ländern: Malta, Dänemark und Spanien standen mit einem Anteil von mehr als 95 Prozent an geimpften Befragten über 50 Jahren an der Spitze, während in Rumänien und Bulgarien nur etwa 28 beziehungsweise 21 Prozent geimpft waren. Deutschland lag mit einer Impfquote von 89 Prozent der Über-50-Jährigen im oberen Mittelfeld.

Von den nicht geimpften Befragten aus allen Ländern gaben 33 Prozent an, noch unentschlossen zu sein. 45 Prozent erklärten, dass sie sich nicht impfen lassen wollen. Diese Zahl lag in Rumänien bei 54 Prozent, in Bulgarien bei 45 Prozent. Ähnlich viele Ungeimpfte wollten sich in Lettland (46 Prozent) und Litauen (43 Prozent) weiterhin nicht impfen lassen. Auch in Deutschland war der Anteil der Impfunwilligen an den Nichtgeimpften mit 50 Prozent hoch. Allerdings ist dieser Wert aufgrund der deutlich kleineren Fallzahl mit einer relativ großen Unsicherheit behaftet.

Männer entschließen sich häufiger zur Impfung

Im nächsten Schritt untersuchte das Forschungsteam die demografische, sozioökonomische und gesundheitliche Situation der Befragten, die angaben, noch unentschlossen zu sein oder die Impfung abzulehnen. Dabei zeigte sich, dass die wirtschaftliche Situation einen sichtbaren Einfluss hatte. Personen im unteren Viertel der Einkommensverteilung wollten sich häufiger nicht impfen lassen als die höheren Einkommensviertel. Dieses Ergebnis wurde gestützt, wenn die Menschen nach ihrer subjektiven Einschätzung gefragt wurden, wie schwer es für sie ist, „über die Runden zu kommen“. Nahezu 30 Prozent der Personen, die angaben, nur mit großen Schwierigkeiten über die Runden zu kommen, waren unentschlossen oder lehnten die Impfung ab, während es bei denjenigen, die angaben, leicht über die Runden zu kommen, nur 7,8 Prozent waren. Dieses klare Muster zeigte sich in fast allen Ländern.

In der Gruppe der Menschen mit niedrigerer Schulbildung lag der Anteil der Unentschlossenen und Impfverweigerer bei 14,7 Prozent, bei Menschen mit mittlerer Schulbildung betrug er 16,1 Prozent, bei Menschen mit höherer Schulbildung nur 9,2 Prozent. Auch zwischen Berufsstatus und Impfbereitschaft gab es einen Zusammenhang. Der größte Unterschied wurde deutlich zwischen arbeitslosen Befragten, von denen 28,5 Prozent eine Impfung ablehnten oder noch unentschlossen waren, und Befragten im Ruhestand, von denen lediglich 11,5 Prozent einer Impfung gegenüber ablehnend oder unentschlossen waren. Eine Erklärung kann hierfür allerdings der Alterseffekt sein, der ebenfalls eine Rolle spielte: Menschen zwischen 50 und 65 Jahren lehnten den Impfstoff eher ab als ältere Befragte – dies galt für nahezu alle Länder.

Auch das Geschlecht hatte einen Einfluss. Im Durchschnitt waren 14,5 Prozent der Frauen unentschlossen oder lehnten die Impfung ab, während es bei den Männern nur 12,8 Prozent waren. Dieser Unterschied galt zwar für die meisten, aber nicht für alle Länder: In Ungarn, Portugal und der Schweiz beispielsweise gab es mehr Männer als Frauen, die noch unentschlossen waren oder sich nicht impfen lassen wollten.

Wer Covid-19-Betroffene kennt, lässt sich eher impfen

Was den Gesundheitszustand betrifft, so war die Wahrscheinlichkeit, dass Befragte ohne diagnostizierte körperliche Krankheit unentschlossen waren oder sich nicht impfen lassen wollten, mit 16,9 Prozent höher als bei Befragten mit mindestens einer diagnostizierten Krankheit (12,4 Prozent). Dieser Unterschied war am stärksten in Ungarn, Litauen, Luxemburg und der Schweiz zu beobachten.

Das Forschungsteam fand zudem einen Unterschied zwischen Menschen, die niemanden kannten, der an Covid-19 erkrankt war, und denjenigen, die einen Betroffenen kannten. Von ersteren gaben 14,7 Prozent an, unentschlossen oder nicht bereit zu sein, sich impfen zu lassen. Diese Zahl lag unter Menschen, die jemanden kannten, der leicht erkrankt war, bei 13,7 Prozent, und bei Menschen mit schwer an Covid-19 erkrankten Bekannten bei 10,3 Prozent.

Publikationen:

Bergmann, Michael; Hannemann, Tessa-Virginia; Bethmann, Arne; Schumacher, Alexander: „Determinants of SARS-CoV-2 vaccinations in the 50+ population“. MEA Discussion Paper 07-2021.

(Die Publikation ist ein Working Paper, die ohne Peer-Review-Prozess Daten für die weitere Forschung zur Verfügung stellt.)

Mehr Informationen:

SHARE, der Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe, ist eine europäische Forschungsinfrastruktur, die das Leben europäischer Bürgerinnen und Bürgern aus gesundheitlicher, sozialer, wirtschaftlicher und umweltbezogener Perspektive untersucht. Sie bezieht dabei den gesamten Lebensverlauf der Befragten ein. Von 2004 bis heute wurden in 480.000 Interviews rund 140.000 Menschen im Alter von 50 Jahren oder älter aus 28 europäischen Ländern und Israel befragt. Somit gilt SHARE als die größte europäische sozialwissenschaftliche Panelstudie. Die SHARE Corona-Umfrage ist eine Sonderbefragung mit einer Unterstichprobe des SHARE-Panels. SHARE wird von Prof. Axel Börsch-Supan, dem Inhaber des TUM-Lehrstuhls für Economics of Aging, am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik koordiniert.

Foto: Pexels/ Andrea Piacquadio