Keine vorzeitige Alterung des blutbildenden Systems durch häufiges Blutspenden
Köln – Eine Blutspende kann Leben retten – und bringt keine Nachteile für die Spendenden: Das zeigt eine Studie, die von einer internationalen Forschungsgruppe unter Beteiligung von Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie e. V. (DGTI) entstanden ist. Die Forschenden untersuchten dabei, wie sich häufiges Blutspenden auf die genetische Vielfalt der Blutstammzellen auswirkt.
Blutspenden sind eine lebenswichtige Ressource für das Gesundheitswesen. Doch bisher wurde wenig über die langfristigen Auswirkungen einer Blutspende auf die Gesundheit der Spenderinnen und Spender selbst geforscht. Die Studie „Clonal Hematopoiesis Landscape in Frequent Blood Donors“, die im Journal Blood veröffentlicht wurde, setzt hier bei den Blutstammzellen an: „Im Laufe des Lebens häufen sich im Erbgut unserer Blutstammzellen genetische Veränderungen (Mutationen) an. Solche Mutationen sind meist harmlos. Führt aber eine dieser Mutationen dazu, dass eine Stammzelle fitter ist als andere, kann sich diese Zelle im Laufe des Lebens besser ausbreiten und zu einem Klon heranwachsen. Das nennt man ‚klonale Hämatopoese’“, so Dr. phil. nat. Darja Karpova, Leiterin der Abteilung Zelltherapeutika/GMP am Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie Frankfurt am Main des DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen, die Erstautorin der Studie.
Bei über 10 % aller 60-Jährigen lässt sich klonale Hämatopoese nachweisen. Sie ist per se nicht krankhaft, aber assoziiert mit Erkrankungen wie Blutkrebs, kardiovaskulären Risiken aber auch primär entzündlichen Krankheitsbildern. Die Forschenden vom DRK- Blutspendedienst, dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg und dem The Francis Crick Institute in London wollten herausfinden, wie sich häufiges Blutspenden auf klonale Hämatopoese auswirkt.
Dazu untersuchten sie das Erbgut von insgesamt 429 gesunden männlichen Blutspendern über 60: 217 waren Langzeitblutspender, hatten im Mittel 120 Mal in ihrem Leben Blut gespendet, 212 waren sogenannte Gelegenheitsspender von im Mittel 5 Lebenszeitspenden. Mittels moderner Genanalysen prüften die Forschenden klonale Mutationen in den Blutstammzellen.
Klonale Hämatopoese bei Dauerspendern: Nicht häufiger, aber qualitativ anders
„Wir haben herausgefunden, dass die reine Häufigkeit von klonalen Veränderungen, wie auch die Größe der Klone, in den beiden untersuchten Gruppen ähnlich waren“, so Professor Dr. med. habil. Dr. med. Halvard B. Bönig, Beisitzer des Vorstands der DGTI und Transfusionsmediziner am Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie beim DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen und einer der Seniorautoren der Studie. „Wir finden die Mutationen auch in denselben Genen – insbesondere in den Genen DNMT3A und TET2. Ein genauerer Blick zeigte einen interessanten Unterschied: Bei Dauerspendern können solche Mutationen herauswachsen, da sie auf das blutbildende Hormon Erythropoetin reagieren, während die bisher beschriebenen pathogenen DNMT3A-Mutationen dagegen auf Entzündungsbotenstoffe reagieren.“
Erythropoetin ist ein körpereigenes Hormon, das die Bildung von roten Blutkörperchen anregt und dessen Konzentration nach einem größeren Blutverlust, beispielsweise durch eine Blutspende, erhöht ist. „Die DNMT3A mutierten Klone sind zu klein, als dass sie dazu führten, dass das gespendete Blut schneller ersetzt würde. Diese Mutationen sind auch keine Voraussetzung dafür, dass jemand regelmäßig spenden kann. Vielmehr zeigt das Ergebnis, dass Erythropoetin das klonale Repertoire der Blutstammzellen beeinflussen kann, indem die darauf reagierenden Klone durch höhere Erythropoetin-Konzentrationen positiv selektioniert werden“, so Karpova.
Blutspende bringt keine Nachteile für Spendende
Eine Blutspende kann Leben retten – und in der Studie konnten bei Langzeitspendern keine pathologischen Veränderungen in Stammzellen beobachtet werden. Im Gegenteil: Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass sich das blutbildende System sogar auf vorteilhafte Weise anpassen kann. „Unsere Studie gibt keinen Anlass zur Sorge, dass Vielspender ein erhöhtes Risiko für Blutkrankheiten haben könnten“, betont Bönig. „Vielmehr zeigen die Daten, dass Blutstammzellen sich an die wiederkehrende Herausforderung anpassen und funktionell stabil bleiben.“ Wer regelmäßig spendet, unterliegt also einer Art natürlicher Optimierung seines blutbildenden Systems. „Dennoch ist es natürlich wichtig, die üblichen Abstände zwischen zwei Blutspenden einzuhalten und darauf zu achten, dass man vor einer Spende gesund ist und über einen ausreichend hohen Eisenwert verfügt.“
Weitere Forschung nötig
Die Ergebnisse der Studie sind ermutigend, werfen aber auch neue Fragen auf. Noch ist unklar, wie sich diese genetischen Veränderungen über Jahrzehnte auswirken und ob sie bei noch höherer Spendenfrequenz andere Effekte zeigen.
„Wir müssen verstehen, welche langfristigen Auswirkungen diese Anpassungen wirklich haben und ob sie im Alter zu Risiken führen könnten“, fasst Karpova zusammen. „Daher planen wir Folgestudien, in denen Vielspenderinnen und -spender über einen längeren Zeitraum begleitet und ihre blutbildenden Systeme umfassend untersucht werden.“
Literatur:
Darja Karpova, Hector Huerga Encabo, Elisa Donato, Silvia Calderazzo, Michael Scherer, Miriam Llorian-Sopena, Aino-Maija Leppä, Roberto Würth, Patrick Stelmach, Despoina Papazoglou, Alessandra Ferrelli, Steven Ngo, Iuliia Kotova, Sabine Harenkamp, Kai Zimmer, Dominik Wolf, Jasper Panten, John Reed, Adriana Przybylla, Torsten Tonn, Annette Kopp-Schneider, Lars Velten, John F. DiPersio, Terrence N Wong, Dominique Bonnet, Halvard Bonig, Andreas Trumpp (2025): Clonal Hematopoiesis Landscape in Frequent Blood Donors. Blood. https://doi.org/10.1182/blood.2024027999
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