Entwicklung des Impfstoffes CoVac-1 geht in die zweite Phase

Am Universitätsklinikum Tübingen startet in diesen Tagen die klinische Erprobung eines eigenentwickelten Impfstoffs gegen SARS-CoV-2, der speziell für Patientengruppen mit Antikörpermangel konzipiert ist. Der Impfstoff zielt hochspezifisch auf die Stimulierung einer zellulären Immunantwort durch die sogenannten T-Zellen gegen SARS-CoV-2 ab. Im Gegensatz zu anderen Impfstoffen aktiviert CoVac-1 dabei die T-Zellen nicht nur gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2, sondern auch gegen zahlreiche andere Virusbestandteile, was der Entwicklung von Resistenzen durch Mutanten entgegenwirkt. Die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte klinische Studie erfolgt basierend auf den Arbeiten und unter Leitung von PD Dr. Juliane Walz in der Klinischen Kooperationseinheit (KKE) Translationale Immunologie der Medizinischen Klinik (Ärztlicher Direktor Professor Helmut Salih). Das für die Zulassung von klinischen Studien zuständige Paul-Ehrlich-Institut gab am Mittwoch, 09.06.2021 grünes Licht für den Impfstudienstart, die Zustimmung der Ethikkommission liegt bereits vor.

Zahlreiche Untersuchungen haben in den letzten Monaten gezeigt, dass Patientinnen und Patienten mit Immunschwäche – hierzu gehören sowohl Personen mit angeborenem Immundefekt als auch Krebserkrankte – ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-19-Krankheitsverlauf haben. Weiterhin zeigen aktuelle Ergebnisse, dass diese Patientengruppe mit den aktuell zugelassenen Impfstoffen oft keinen ausreichenden Impfschutz aufbaut. Ziel der Studie ist daher, in speziell dieser Patientengruppe, die zumeist keine oder nur unzureichend Antikörper nach Infektion oder Impfung entwickelt, eine breite und starke T-Zell-vermittelte Immunantwort gegen SARS-CoV-2 zu erzeugen und so einen Schutz vor Covid-19 zu ermöglichen. Die Studie startet zunächst in Tübingen, wird jedoch auf die Universitätsklinika Berlin und Frankfurt ausgeweitet.

„Vorbild“ Krebsimmuntherapie 

Die Idee für den neu entwickelten Impfstoff kommt aus der Krebsimmuntherapie, einem der Hauptforschungsschwerpunkte der Tübinger Immunologen. Seit vielen Jahren arbeitet das Team um Professor Dr. Hans-Georg Rammensee der Abteilung für Immunologie an der Entwicklung sogenannter therapeutischer Peptidimpfungen für Krebspatientinnen und -patienten. „Als Peptide werden kurze Eiweiße bezeichnet, die auf der Oberfläche von Tumorzellen, aber auch auf virusbefallenen Zellen dem Immunsystem – und hier speziell den T-Zellen – präsentiert werden“, erklärt Rammensee die biologischen Prozesse. „Dies ermöglicht dem Immunsystem, ‚fremde‘ Zellen zu erkennen und diese zu eliminieren“.

Werden solche Peptide zusammen mit einem geeigneten Immunstimulator geimpft, einem sogenannten Adjuvanz, können T-Zellen gezielt gegen Tumorzellen, aber eben auch gegen virusbefallene Zellen aktiviert werden. Auch das für die Impfstudie verwendete Adjuvanz XS15 wurde in Tübingen federführend von Forscherinnen und Forschern um Hans-Georg Rammensee gemeinsam mit der Tübinger Firma EMC Microcollections GmbH entwickelt – ursprünglich für Impfungen gegen Krebs.

Impfstoffentwicklung und bisherige Erfahrungen mit CoVac-1

Dass die T-Zellen sowohl in gesunden Spendern als auch in Krebspatientinnen und -patienten eine bedeutende Rolle bei der Covid-19-Erkrankung spielen, wurde von der Arbeitsgruppe von Juliane Walz in mehreren wissenschaftlichen Publikationen belegt. Diese Untersuchungen bilden nun die Grundlage für die klinische Studie. Im Rahmen der Forschungsarbeiten wurden im Blut von Probanden nach überstandener Covid-19-Erkrankung diejenigen Peptide identifiziert, die für eine Erkennung und einen Langzeitschutz – speziell gegen das SARS-CoV-2-Virus – durch T-Zellen von Bedeutung sind. „Und genau die Peptide, von welchen wir wissen, dass sie eine bedeutende Rolle bei der Langzeitimmunität nach natürlicher SARS-CoV-2-Infektion spielen, werden nun im CoVaC-1 Impfstoff eingesetzt“, erklärt Juliane Walz. CoVac-1 wurde bereits in einer klinischen Pilotstudie in gesunden Probanden zwischen 18 und 80 Jahre eingesetzt und konnte hier bei sehr guter Verträglichkeit eine äußerst potente Aktivierung der T-Zell-Antwort gegen SARS-CoV-2 belegen.

Eigene Impfstoffproduktion am Uniklinikum Tübingen  

Der Impfstoff, der sich aus mehreren der identifizierten SARS-CoV-2-Peptide zusammensetzt, wird im Wirkstoffpeptidlabor und der sogenannten GMP-Einheit des Universitätsklinikums Tübingen hergestellt. Auch hier kann auf die langjährige Erfahrung und Expertise bei der Produktion von Impfstoffen für Krebspatienten zurückgegriffen werden.

Probanden gesucht

An der Studie, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie vom Baden-Württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWK) gefördert wird, können Patientinnen und Patienten mit angeborenem oder erworbenem B-Zell-Defekt beziehungsweise Antikörpermangel teilnehmen. Hierzu gehören insbesondere Patientinnen und Patienten mit Leukämie- oder Lymphomerkrankungen, die aufgrund ihrer Erkrankung oder einer Therapie einen sogenannten Immunglobulinmangel entwickelt haben.

Die Studie beinhaltet einen Screening-Termin, einen Impftermin und sechs Kontrolltermine innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten.

An einer Studienteilnahme Interessierte können sich bei der KKE Translationale Immunologie melden.

covid.kke@med.uni-tuebingen.de

Weitere Informationen zur Teilnahme an der Studie unter

medizin.uni-tuebingen.de/go/covac-1-studie 

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