Forschende der MHH wollen den veränderten Fettstoffwechsel bei Patientinnen mit Schwangerschafts-Kardiomyopathie (PPCM) untersuchen und neue Biomarker für Diagnose und Therapie finden.

Gegen Ende einer Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt klagen viele Frauen über Kurzatmigkeit, Müdigkeit und geschwollene Beine. Diese Symptome sind nicht ungewöhnlich, können jedoch auf eine häufig unentdeckte Erkrankung hinweisen: die sogenannte peri- oder postpartale Kardiomyopathie (PPCM). Diese schwangerschaftsbedingte Herzschwäche entwickelt sich bei zuvor herzgesunden Frauen wenige Wochen vor, während oder nach der Geburt. Dabei ist die Pumpleistung der linken Herzkammer eingeschränkt, die sauerstoffreiches Blut durch die Hauptschlagader in alle Gewebe des Körpers transportiert.

PPCM tritt zwar eher selten auf, ist jedoch lebensbedrohlich. Deshalb ist es wichtig, dass betroffene Frauen zeitnah und kompetent betreut werden. Das geschieht in der Klinik für Kardiologie und Angiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), dem europaweit führenden PPCM-Zentrum unter der Leitung von Professor Dr. Johann Bauersachs, der auch Vorsitzender des europäischen PPCM-Komitees ist. Die Erkrankung wird in der Klinik nicht nur behandelt, sondern seit mehr als 15 Jahren auch mit Hilfe des weltweit größten PPCM-Registers mit Daten und Biomaterialien von rund 300 Patientinnen erforscht. So fand die Arbeitsgruppe für Molekulare Kardiologie bereits heraus, dass bei den betroffenen Frauen das Stillhormon Prolaktin in ein gefäßschädigendes Spaltprodukt zerlegt wird, das die Herzmuskelzellen angreift und zu Herzinsuffizienz führt. Eine Behandlung mit dem Abstill-Medikament Bromocriptin hemmt die Prolaktin-Produktion und führt somit bei vielen PPCM-Patientinnen zu einer vollständigen Erholung der Herzfunktion.

PPCM-Risiko möglichst früh erkennen

Gleichwohl haben die betroffenen Frauen ein erhöhtes Risiko für langfristige Schäden des Herz-Kreislauf-Systems und sind mitunter lebenslang auf Medikamente angewiesen. Zudem sprechen nicht alle Patientinnen gut auf die Therapie an. Ein kleiner Anteil von ihnen leidet unter einer dauerhaften Herzschwäche, die sogar eine Herztransplantation oder den Einsatz eines Kunstherzens erfordern kann. Ein Team der Arbeitsgruppe für Molekulare Kardiologie um Leiterin Privatdozentin Dr. Melanie Ricke-Hoch und Funktionsoberarzt Privatdozent Dr. Tobias Pfeffer will nun herausfinden, wie Schwangere mit einem erhöhten PPCM-Risiko möglichst früh identifiziert werden können, um die Entstehung der Herzschwäche zu verhindern oder die Erkrankung zumindest rechtzeitig zu behandeln. Die Forschenden nehmen dabei den Fettstoffwechsel in den Blick, der eine wichtige Rolle für den Krankheitsverlauf spielen könnte. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft über drei Jahre mit mehr als einer halben Million Euro gefördert.

Fettstoffwechsel gestört

„In Voruntersuchungen konnten wir zeigen, dass der Fettstoffwechsel bei PPCM-Patientinnen im Vergleich zu gesunden weiblichen Verwandten gestört ist“, sagt Dr. Ricke-Hoch. Die Veränderungen haben die Forschenden anhand von Herzmuskelzellen aus sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) nachgewiesen. Diese lassen sich im Labor aus „zurückprogrammierten“ Körperzellen von Erwachsenen herstellen – in diesem Fall aus Haut- oder Blutzellen von PPCM-Patientinnen – und können dann jeden beliebigen Zelltyp des menschlichen Körpers hervorbringen. Diese Zelllinien sowie ein speziell entwickeltes PPCM-Mausmodell sollen nun genutzt werden, um den veränderten Fettstoffwechselweg aufzuklären und neue Biomarker für Diagnose und Therapie zu finden. Ein Kandidat könnte die Fettsäure Arachnidonsäure sein, eine Vorstufe der Prostaglandine und Leukotriene. Diese Gewebshormone sind an Entzündungsprozessen beteiligt und lassen sich über antirheumatische Wirkstoffe wie das Schmerzmedikament Ibuprofen beeinflussen. „Prostaglandine oder ähnliche Substanzen werden oft zur Einleitung der Wehen eingesetzt“, erklärt der Kardiologe Dr. Pfeffer.

Mit ihren Untersuchungen hoffen die Forschenden, mehr Licht ins Dunkel der Erkrankung zu bringen. „PPCM kann nicht nur verschiedene Ursachen haben, sie zeigt auch unterschiedliche Verläufe von einer Spontanheilung bis zur schwerster Herzschädigung oder sogar Tod“, betont der Mediziner. Neue Strategien zur Prävention, Diagnose und für wirksamere und passgenauere Therapien sind daher das oberste Ziel, aber auch mehr Aufmerksamkeit für die vermutlich gar nicht so seltene Erkrankung zu schaffen. „PPCM wird oft nicht erkannt und tritt deshalb vermutlich häufiger auf als angenommen“, stellt Dr. Pfeffer fest. Kardiologisch sei die Erkrankung schnell und eindeutig zu ermitteln. Die Schwierigkeit bei der Diagnose liege vor allem darin, dass die meisten Frauen den Weg in die Kardiologie gar nicht oder zu spät fänden, weil die Beschwerden als normale schwangerschaftsassoziierte Beschwerden interpretiert werden und niemand den Verdacht auf PPCM stelle und sie dorthin überweise.

Text: Kirsten Pötzke

Foto: Pexels / Negative Space