Bis zu 80% aller Brustkrebspatientinnen zeigen unter Chemotherapie eine Abnahme ihrer Denk- und Konzentrationsfähigkeiten. Der Frage, inwieweit ein gezieltes und kontrolliertes Training während einer Chemotherapie dem gegensteuern kann, wird nun von Fachmedizinerinnen bzw. -medizinern der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz und der Universitätsklinik für Hämatologie und Internistische Onkologie sowie der Klinik für Neurologie am Kepler Universitätsklinikum in Linz erforscht.

Hierbei beschäftigt sich das ärztliche Forscherteam um Ass. Dr. David Kiesl und OA Dr. Milan Vosko, PhD mit der Auswirkung der Krebserkrankung und Chemotherapie auf die kognitive Leistung von Brustkrebspatientinnen und den einer etwaigen Leistungsstörung zugrunde liegenden Erkrankungsmechanismen. Hier vermuten die Ärzte neben funktionellen Beeinträchtigungen auch sogenannte strukturelle Veränderungen am Gehirn. Bei etwa 35% der betroffenen Patientinnen bleiben beobachtete kognitiven Einschränkungen nach Abschluss der Behandlung über Jahre hinweg bestehen, verhindern die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit und verringern die allgemeine Lebensqualität.

Diese kognitiven Beeinträchtigungen bei Brustkrebspatientinnen werden hauptsächlich der Chemotherapie zugeschrieben, bekannt unter der englisch generalisierten Bezeichnung „Chemobrain“. Studienergebnisse der letzten Jahre zeigen, dass die dabei beobachteten Effekte eine Summe der Erkrankung, der Therapie und begleitender Umstände darstellen. Die diesen zugrundeliegenden molekularen Ursachen sind noch nicht vollständig bekannt und erforscht. Neuere Erkenntnisse weisen auf eine Schlüsselrolle von entzündlichen Botenstoffen hin, welche die neuronale Leistungsfähigkeit verändern.

Vor diesem Hintergrund zielt die unter dem Dach der Krebshilfe OÖ geplante Studie an der Universitätsklinik für Hämatologie und Internistische Onkologie und der Klinik für Neurologie 2 am Kepler Universitätsklinikum in Linz darauf ab, den Einfluss eines streng standardisierten Trainingsprogrammes bei Patientinnen mit Brustkrebs zu untersuchen. Diese Studie wird „prospektiv randomisiert“ durchgeführt, also die Hälfte der zukünftig teilnehmenden Patientinnen werden diesem Trainingsprogramm nach dem Zufallsprinzip zugeführt, die andere Hälfte dient dann als Kontrolle. Im Zuge dieser Studie werden in Zusammenarbeit mit den Kliniken für Neurologie, Neuropsychologie und Neuroradiologie strukturelle als auch funktionelle Schädigungen des Zentralnervensystems bildgebend erfasst, in Funktionsprüfungen eingehend beurteilt und durch begleitende Laboruntersuchungen molekular weiter eingeordnet. Unterstützung erhält das Forscherteam dabei durch renommierte Zentren auf diesem Gebiet: der Deutschen Sporthochschule Köln, dem Institut für Sportwissenschaft in Graz, der Klinik für Neurologie der Karls-Universität in Prag sowie dem Institut für Biochemie der Charité in Berlin.

Ein entsprechendes begleitendes „multimodales“ – also auf verschiedenen Säulen beruhendes Trainingsprogramm wird am ambulanten Rehazentrum, der CardioMed Linz, durchgeführt. Dort wird den Patientinnen ermöglicht, unter Anleitung effizient in Gruppen zu trainieren. Als zentrales Element des über ein Jahr dauernden Trainingsprogramms führen die Patientinnen dort unter Aufsicht ein sogenanntes „hochintensives Intervalltraining (HIIT)“ durch. Darunter versteht man eine spezielle Art des Ausdauertrainings, das auf dem Ergometer durchgeführt werden kann. Die Auswirkungen und Anpassungen am Herzen werden dabei an der Klinik für Kardiologie des Kepler Universitätsklinikums untersucht.

Intervalltraining (HIIT) zahlt sich aus

Es gibt bereits Hinweise aus früheren Studien, dass sich hochintensives Intervalltraining (HIIT) begleitend zur Therapie positiv bzw. günstiger als Grundlagen-Ausdauertraining auf die geistige Leistungsfähigkeit auswirkt. Die HIIT-Gruppe zeigte dabei in Bezug auf das verbale Gedächtnis, das Erinnerungsvermögen und die Konzentrationsfähigkeit bessere Ergebnisse. Im Zuge der aktuellen Studie des Kepler Universitätsklinikums wird nun die in diesem Zusammenhang bis dato größte randomisierte und kontrollierte Studie an einem einzelnen Zentrum auf internationalem Niveau aufgelegt.

Zusammenfassend hoffen Medizinerinnen bzw. Mediziner und Wissenschaftlerinnen bzw. Wissenschaftler, dass durch ein intensives therapiebegleitendes Trainingsprogramm ab Behandlungsbeginn neurokognitive Effekte bei chemotherapierten Krebspatientinnen erfasst, moduliert und zunehmend besser verstanden werden können. Zusätzlich werden die molekularen Mechanismen in ihrer ursächlichen Bedeutung erforscht. Damit können zukünftige zielgerichtete Therapiestrategien verbessert werden.

„Klinische Studien im Bereich ‚Sport und Krebs‘ stoßen bei unseren Patientinnen und Patienten auf sehr positive Resonanz, sind aber wissenschaftlich sehr aufwändig. Um zu belastbaren Aussagen zu kommen, erfordern solche Studien ein hohes Maß an Fachkenntnis und Einsatz seitens der behandelnden Institutionen, wie auch eine hohe Akzeptanz und Bereitschaft auf Seite der Patientinnen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mehrerer Schüssel-Fachabteilungen am Kepler Universitätsklinikum, die Allianz mit der CardioMed Linz als betreuendem Kompetenzzentrum und die internationale Kooperation mit der Deutschen Sporthochschule Köln und molekulare Analysen an der Charité in Berlin schaffen zusammen ein hochkompetentes Netzwerk, das eine derartig ambitionierte Studie überhaupt erst möglich macht – und dabei das Wohl der Patientinnen ins Zentrum der Aktivitäten stellt. Wir hoffen sehr, so gemeinsam mit den Patientinnen dieser Studie, die in wenigen Wochen starten wird, Studienergebnisse zu erarbeiten, die dann in neue, moderne Behandlungskonzepte direkt am Kepler Universitätsklinikum überführt werden können.“, betont Univ.-Prof. Dr. Clemens Schmitt von der Medizinischen Fakultät der JKU und Vorstand der Universitätsklinik für Hämatologie und Internistische Onkologie.

„Das Studiendesign und die Gesamtheit der neurokognitiven Erfassung ist einzigartig! Die nationale und internationale Vernetzung setzt höchste Qualitätsmerkmale und dabei spielt das Kepler Universitätsklinikum Linz die zentrale Rolle“, so OA Dr. Milan Vosko, PhD, Senior-Autor des Projektes.