Seit 2002 bieten die gesetzlichen Krankenkassen die Darmspiegelung als primäre Screening-Untersuchung an, mit der Darmkrebs und Vorstufen entdeckt werden können. Damit kann die Zahl der Neuerkrankungen gesenkt und die Heilungschance verbessert werden. Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum berechneten nun die Entwicklung der Darmkrebs-Inzidenz und Sterblichkeit innerhalb dieses Zeitraums: Von 2000 bis 2016 ging die altersstandardisierte Neuerkrankungsrate bei beiden Geschlechtern um knapp ein Viertel zurück. Noch deutlicher waren die Effekte auf die Sterblichkeitsrate: Zwischen 2000 und 2018 sank sie bei Männern um 35,8 Prozent, bei Frauen sogar um 40,5 Prozent.

„Die Rückgänge bei den Neuerkrankungen und bei der Sterblichkeit beobachten wir vor allem in der Altersgruppe ab 55 Jahren, für die die Darmspiegelung angeboten wird. Zusammen mit den Ergebnissen bereits vorliegender Studien lassen diese Zahlen keine Zweifel mehr offen, dass das Angebot der gesetzlichen Darmkrebsvorsorge und insbesondere die Darmspiegelung ein hochwirksames Instrument der Krebsprävention ist”, sagt Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum.

Am stärksten ausgeprägt waren die Rückgänge bei Karzinomen des Enddarms und des unteren Darmabschnitts („distales Kolon”). Für Tumoren des oberen Darmabschnitts („proximales Kolon”) beobachteten die Forscher dagegen kaum einen Rückgang der Neuerkrankungsrate. „Die Tumorvorstufen im oberen Dickdarm sind häufig mit dem Endoskop schwerer zu erkennen und weisen auch andere biologische Eigenschaften auf”, nennt Brenner Gründe für die geringere Wirksamkeit der Endoskopie im oberen Darmabschnitt. Aber auch die Tumoren im oberen Dickdarmabschnitt wurden zunehmend früher und damit in einem besser heilbaren Krebsstadium erkannt. „Eine frühere Erkennung hat auch in diesem Darmabschnitt zu einem erheblichen Rückgang der Sterblichkeit an Krebserkrankungen beigetragen, obwohl die Inzidenz dieser Tumoren innerhalb des Untersuchungszeitraums kaum zurückgegangen ist”, erklärt Brenner.

Einen direkten Vergleich der Erkrankungsraten von Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern an der Screening-Koloskopie konnten die Wissenschaftler in dieser Register-basierten Studie nicht durchführen: Krebsregisterdaten dürfen aus datenschutzrechtlichen Gründen in Deutschland nicht mit den Daten zur Teilnahme an der Vorsorgedarmspiegelung verknüpft werden. Den Zusammenhang mit der Darmspiegelung konnten die Wissenschaftler aber in anderen Studien vielfach belegen. Der deutliche Rückgang der Darmkrebs-Inzidenz und -Sterblichkeit trotz der demografischen Entwicklung ist daher aus Sicht der Epidemiologen in allererster Linie der Wirksamkeit der Darmkrebsvorsorge zu verdanken.

Knapp 20 Jahre nach Einführung der Vorsorge-Darmspiegelung hat zwar gut die Hälfte der über 50-Jährigen in Deutschland schon einmal eine Darmspiegelung und damit einen wirksamen Schutz vor Darmkrebs erhalten, da hierbei die meisten Vorstufen von Darmkrebs entdeckt und abgetragen werden können. Doch noch immer erkranken jedes Jahr fast 60.000 Menschen an Darmkrebs, und fast 25.000 Menschen sterben an der Erkrankung. Brenner ist überzeugt, dass sich diese Zahlen innerhalb der nächsten zehn Jahre halbieren ließen. Sein Appell an die Gesundheitspolitik: „Wir müssen dringend die Einladungsverfahren zur Darmkrebs-Vorsorge verbessern, um deutlich mehr Menschen zu motivieren, die Chance zur Krebsprävention zu ergreifen”.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Originalpublikation:

Rafael Cardoso, Anna Zhu, Feng Guo, Thomas Heisser, Michael Hoffmeister, Hermann Brenner: Inzidenz und Mortalität proximaler und distaler kolorektaler Karzinome in Deutschland: Trends in der Ära der Vorsorge-Koloskopie
Deutsches Ärzteblatt 2021, DOI: 10.3238/arztebl.m2021.0111

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