Die Angst der Bevölkerung vor dem Coronavirus hat seit dem Ende des Lockdowns zwar abgenommen, es fühlen sich jedoch nach wie vor 40 Prozent gestresster als vor Beginn der Pandemie. Das zeigt die Auswertung der Umfrage «Swiss Corona Stress Study» der Universität Basel. Die Häufigkeit schwerer depressiver Symptome blieb auch nach den Lockerungen vergleichbar hoch. Interessanterweise scheinen ältere Personen weniger anfällig für depressive Symptome in der Coronakrise zu sein.

Die neuen Resultate aus der Swiss Corona Stress Study beziehen sich auf den Erhebungszeitraum vom 11. Mai bis 1. Juni 2020, also auf die Zeit der schrittweisen Lockerung der Massnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus. In diesem Zeitraum nahmen 10’303 Personen aus der gesamten Schweiz an der anonymen Online-Umfrage unter coronastress.ch teil. Eine erste Erhebung fand im Lockdown zwischen dem 6. und 8. April statt.

Aufgrund der Art der Datenerhebung in Form einer offenen Online-Umfrage handelt es sich per Definition nicht um eine repräsentative Umfrage. Allerdings bildet die Population der Befragten bezüglich soziodemografischer Merkmale ein breites Spektrum der Schweizer Bevölkerung ab.

Unterschiedliche Stressreaktionen

Wie bereits die Analyse der ersten Erhebung gezeigt hat, ruft die Coronakrise individuell sehr unterschiedliche Stressreaktionen hervor, wie das Forschungsteam um Prof. Dr. Dominique de Quervain berichtet:

  • 40 Prozent der Befragten fühlen sich auch in der Zeit der Lockerungen gestresster als vor der Coronakrise. Zu den Haupttreibern der Stresszunahme zählen nach wie vor die Belastung durch Veränderungen bei der Arbeit oder Ausbildung sowie die Belastung durch das eingeschränkte Sozialleben. Im Lockdown fühlten sich rund 50 Prozent der Umfrage-Teilnehmenden gestresster als vor der Coronakrise, also leicht mehr als in der Zeit der Lockerungen.
  • 28 Prozent der Befragten gaben keine Veränderung im Stressempfinden an. Im Lockdown waren dies 24 Prozent.
  • 32 Prozent der Befragten fühlen sich sogar weniger gestresst als vor der Krise. Die Stressabnahme hängt bei ihnen mit der nach wie vor gewonnenen Zeit für die Erholung und mit der Entlastung durch die Reduktion beruflicher oder schulischer, aber auch privater Verpflichtungen zusammen. Im Lockdown fühlten sich 26 Prozent weniger gestresst als vor der Coronakrise.

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Depressive Symptome bleiben erhöht

Die Zunahme von Stress durch die Coronakrise geht mit einer Zunahme depressiver Symptome einher. Die Häufigkeit einer schweren depressiven Symptomatik bleibt mit knapp 12 Prozent auch in der Zeit der Lockerungen erhöht (im Lockdown 9 Prozent).

Psychische Probleme in der Vergangenheit (vor der Coronakrise) erhöhen das Risiko, in der Coronakrise schwere depressive Symptome zu entwickeln. Diesen Zusammenhang stellten die Forschenden in beiden Erhebungszeiträumen fest. Allerdings hatten knapp 20 Prozent der Betroffenen vor der Krise keine wesentlichen depressiven Symptome.

Ältere und Männer besonders resilient

Ferner wurden Personen untersucht, die sich in Bezug auf depressive Symptome als besonders widerstandsfähig erwiesen haben. Diese Menschen – in beiden Erhebungszeiträumen machten sie rund ein Drittel der Befragten aus – haben während der Coronakrise keine wesentlichen depressiven Symptome entwickelt und hatten auch vor der Krise keine.

In dieser Gruppe waren Personen mittleren und fortgeschrittenen Alters (ab 55 Jahren) und Männer überproportional vertreten. Dies ist erstaunlich, sind es doch ältere Menschen und Männer, die durch eine ernsthafte Viruserkrankung besonders gefährdet sind.

Weniger Angst vor dem Virus

Während im Lockdown 57 Prozent der Befragten generell mehr Angst im Vergleich zu vor der Krise verspürt hatten, waren dies in der Zeit der Lockerungen mit knapp 41 Prozent deutlich weniger. Insbesondere die Angst vor einer ernsthaften Viruserkrankung und die Angst vor Versorgungsengpässen sind zurückgegangen.

Zudem bestätigte sich auch im zweiten Erhebungszeitraum, dass Personen, die sich in der Zeit der Coronakrise vermehrt ihrem Hobby oder einem neuen Projekt zuwenden und körperlich aktiv sind, im Durchschnitt einen geringeren Stressanstieg in der Krise verzeichneten.

Foto: Adobe Stock / sorrapongs