Zwischen Januar 2020 und Juni 2021 sind in Deutschland mehr Kinder und Jugendliche neu an Diabetes Typ 1 erkrankt als in vergleichbaren früheren Zeiträumen. Dies ergab eine bundesweite Studie aus Daten der multizentrischen Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation (DPV*). Einen direkten Zusammenhang zwischen dieser steigenden Inzidenz und der zeitgleichen Corona-Pandemie kann das Forschungsteam um DZD-Professor Reinhard W. Holl jedoch aktuell nicht nachweisen.

Die Studie des DZD, der Universität Gießen und der Universität Ulm mit Co-Autoren aus weiteren Zentren in Deutschland hatte das Ziel, das Auftreten von Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen während der COVID-19-Pandemie in Deutschland im Vergleich zu den Vorjahren zu untersuchen.
„Die Inzidenzen des Typ-1-Diabetes stiegen mit einer Verzögerung von etwa drei Monaten nach den COVID-19-Inzidenz-Wellen sowie nach den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie“, berichtet Letzt-Autor Holl von der Universität Ulm. Die zugrundeliegenden Ursachen für den Anstieg der Typ-1-Diabetes-Inzidenz seien allerdings noch unbekannt, betonen die Forschenden. Aus den DPV-Daten geht nicht hervor, ob die erfassten jungen Menschen tatsächlich mit dem Sars-Cov-2-Virus infiziert gewesen waren.

Eine Studie des US Center for Disease Control (CDC), der Angaben aus zwei Datenbanken mit jedoch unterschiedlichen Ergebnissen zugrunde lagen, legte einen möglichen Zusammenhang nahe. Dies wurde in Fachkreisen kritisiert, da diese Studie gravierende methodische Mängel aufweist. Unter anderem unterscheidet sie nicht zwischen dem Auftreten von Typ-1- und Typ-2-Diabetes, der in USA in dieser Altersgruppe häufiger festgestellt wird als in Europa.

Das deutsche Forschungsteam vermutet in den erhöhten Zahlen eher eine indirekte Folge der Pandemie als ein direktes Auslösen durch eine COVID-Infektion. Denn durch die Corona-Maßnahmen blieb das Immunsystem weniger trainiert, während die Kinder und Jugendlichen mehr Stress ausgesetzt waren.

Im Untersuchungszeitraum wurden im DPV 5.162 Kinder und Jugendliche mit neu auftretendem Typ-1-Diabetes registriert. Das entspricht einer Inzidenz von 24,4 pro 100.000 Personen. Zu erwarten gewesen wären 21,2 – ermittelt mithilfe von Poisson-Regressionsmodellen aus den Daten der Jahre 2011 bis 2019 für 2020/21. Damit war die beobachtete Inzidenz während der Corona-Pandemie signifikant höher als die erwartete. Die Neuerkrankungen stiegen besonders in den Monaten Juli 2020, März 2021 und Juni 2021.

Detaillierte Informationen

* Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation (DPV):

Aktuell beteiligen sich mehr als 400 Behandlungseinrichtungen an der Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation – vorwiegend aus Deutschland und Österreich, aber auch aus Luxemburg und der Schweiz. In der DPV sind Daten von mehr als 680.000 Patientinnen und Patienten erfasst. Ziel der DPV-Initiative ist es, die Behandlungsergebnisse für Menschen mit Diabetes in der Routinebetreuung durch standardisierte Dokumentation, objektiven Vergleich von Qualitätsindikatoren und durch multizentrische Therapieforschung zu verbessern.

Original-Publikation:

Kamrath, C. …. Holl, R. et al.: Incidence of Type 1 Diabetes in Children and Adolescents During the COVID-19 Pandemic in Germany: Results From the DPV Registry. Diabetes Care (2022) DOI: doi.org/10.2337/dc21-0969

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