18 Prozent der Mädchen und 14 Prozent der Jungen wurden nach den Selbstangaben der Heranwachsenden als übergewichtig eingestuft. Bei Mädchen stieg dieser Wert im Vergleich des letzten Surveys 2014 um fünf Prozent. Zu diesem Schluss kommt die für die WHO durchgeführten Studie “Health Behaviour in School-aged Children“ (HBSC) zu Gesundheit und Gesundheitsver-halten von Schülerinnen und Schülern zwischen elf bis 15 Jahren in Deutschland. Die deutsche Studie, die vom Institut für Medizinische Soziologie der Universitätsmedizin Halle (Saale) geleitet wird, ist in eine internationale Befragung eingebettet, an der 45 Länder teilgenommen haben.

Insgesamt wurden in Deutschland stichprobenartig 4.347 Kinder und Jugendliche an 146 Schulen im Rahmen der Studie bundesweit befragt. Nur sieben Prozent der Mädchen und 13 Prozent der Jungen sind täglich 60 Minuten körperlich aktiv.

Dabei zeigten verschiedene Studien, dass sich sportliche Aktivitäten bereits bei Kindern und Jugendlichen vorbeugend im Hinblick auf Übergewicht, Herz- Kreislauf-Erkrankungen und psychische Erkrankungen auswirken würden, so der Leiter der und Direktor des Instituts für Medizinische Soziologie der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Prof. Dr. Matthias Richter.

„Im internationalen Vergleich liegt Deutschland in vielen Bereichen der Gesundheit und des Gesundheitsverhaltens von Kindern und Jugendlichen im Mittelfeld“, so Richter. Der Bericht zeige, dass Deutschland im internationalen Vergleich hinsichtlich der psychosozialen Gesundheit deutlich besser abschneide. Dennoch seien die Häufigkeiten mit 21 Prozent der Jungen und 41 Pro-zent der Mädchen, die über zwei oder mehr psychosomatische Beschwerden wöchentlich berichten, sehr hoch und daher besorgniserregend.

Einige Ergebnisse im Vergleich im Einzelnen:

Substanzkonsum

• Alkohol und Tabak: International geht der Alkohol- und Tabakkonsum unter Jugend-lichen zwar weiter zurück, doch der gegenwärtige Alkohol- und Tabakkonsum bei unter 15-Jährigen ist nach wie vor hoch. Alkohol ist weiterhin die am häufigsten konsumierte Substanz, insbesondere in Deutschland greifen Jugendliche im Vergleich häufiger dazu. Aktuell konsumiert über die Hälfte der 15-jährigen Mädchen und Jungen in Deutschland Alkohol; jedes vierte Mädchen und 29 Prozent der Jungen dieses Alters waren schon mindestens zwei Mal betrunken.

• Cannabis: Der Cannabiskonsum bei 15-jährigen Jugendlichen in Deutschland fällt ebenfalls vergleichsweise hoch aus. 16 Prozent der Mädchen und 22 Prozent der Jungen haben schon einmal Cannabis zu sich genommen.

Übergewicht, Bewegung und Ernährung

• Bewegung: Die Ergebnisse aller 45 Länder zeigen, dass weniger als einer von fünf Jugendlichen die Empfehlungen der WHO für körperliche Betätigung erfüllt. Auch in Deutschland halten sich Jugendliche selten an die WHO-Empfehlung von 60 Minuten täglicher körperlicher Betätigung, international schneidet hier Deutschland eher schlechter ab.

• Ernährung: Etwa zwei Drittel der Jugendlichen in allen 45 Ländern verzehren nicht genügend nährstoffreiche Nahrungsmittel, und jeder vierte isst jeden Tag Süßigkeiten. Jeder Sechste konsumiert jeden Tag zuckerhaltige Getränke. Bei Heranwachsenden in Deutschland steht seltener als im internationalen Vergleich täglich Gemüse auf dem Speiseplan.

• Übergewicht: Die Zahl der übergewichtigen bzw. adipösen Jugendlichen in der europäischen Region ist seit 2014 gestiegen: mittlerweile ist jeder fünfte Jugendliche be-troffen, wobei die Zahlen bei Jungen und jüngeren Jugendlichen höher sind. Zudem nehmen sie sich im internationalen Vergleich auch häufiger als zu dick wahr – fast jedes zweite Mädchen und knapp jeder dritte Junge sind daher mit ihrem Körper häufiger unzufrieden.

Weitere Ergebnisse

• Dem Bericht zufolge werden Heranwachsende in etwa einem Drittel der Länder im Vergleich zu 2014 zunehmend durch Schularbeiten belastet und weniger junge Menschen gehen gerne zur Schule. In den meisten Ländern verschlechtern sich die schulischen Erfahrungen mit dem Alter: Die Schulzufriedenheit und die von den Jugendlichen wahrgenommene Unterstützung durch Lehrkräfte und Klassenkameraden sinkt mit der zunehmenden Belastung durch Schularbeiten. Jugendliche in Deutschland fühlen sich hingegen weniger durch die Aufgaben belastet und nehmen eine hohe Unterstützung in der Schule unter anderem durch ihre Mitschüler/innen wahr.

• Jugendliche in Deutschland üben deutlich seltener Gewalt in Form von Schlägereien aus.

• Riskantes Sexualverhalten gibt nach wie vor Anlass zur Sorge: Jeder vierte sexuell aktive Jugendliche hat ungeschützten Geschlechtsverkehr. Jeder vierte Junge (24 Prozent) und jedes siebte Mädchen (14 Prozent) im Alter von 15 Jahren ist eigenen Angaben zufolge sexuell aktiv.

„Spannend werden die Ergebnisse des nächsten Befragungszeitraumes im Jahr 2022, die zeigen werden, wie sich längerfristige Schulschließungen und Ausgangssperren auf die sozialen Interaktionen junger Menschen sowie ihr körperliches und psychisches Wohlbefinden ausgewirkt haben“, sagt Prof. Matthias Richter.

HBSC-Studie

Die HBSC-Studie (“Health Behaviour in School-aged Children“) erhebt seit mehr als 35 Jahren die Erfahrungen junger Menschen und ist ein wichtiges Instrument, um Fortschritte einer Vielzahl von gesundheitlichen und sozialen Indikatoren zu identifizieren. Sie hilft damit, Problembereiche hervorzuheben, die möglicherweise aufeinander abgestimmte Handlungskonzepte und praktische Interventionen erforderlich machen.

“Spotlight on adolescent health and well-being”: Der im Mai 2020 publizierte Bericht der europäischen Region der Weltgesundheitsorganisation (WHO) enthält umfassende Daten über die körperliche Gesundheit, sozialen Beziehungen und das psychische Wohlbefinden von 227.441 Schulkindern im Alter von elf, 13 und 15 Jahren aus 45 Ländern.

Für die Erhebung der HBSC Daten 2017/18 in Deutschland waren neben der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Leitung und Koordination: Prof. Dr. Matthias Richter) die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (Prof. Dr. Ludwig Bilz), die Pädagogische Hochschule Heidelberg (Prof. Dr. Jens Bucksch), die Universität Bielefeld (Prof. Dr. Petra Kolip), die Universität Tübingen (Prof. Dr. Gorden Sudeck MPH) und das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer MPH) beteiligt.

Weitere Informationen:

http://www.medizin.uni-halle.de/imshttp://www.hbsc-germany.dehttp://www.hbsc.org