Thermoregulation: Depressive Menschen leiden unter hohen Temperaturen
Bei hoher Temperatur regulieren wir unsere Körpertemperatur durch Weitung der Blutgefäße und Schwitzen automatisch. Bei Depression scheint dies jedoch schlechter zu funktionieren. Schweizer Wissenschaftler befragten nun fast 700 Menschen zu depressiven Symptomen und wie sie ihre Temperaturregulation wahrnahmen. Menschen mit depressiven Symptomen litten demnach stärker unter höheren Temperaturen mit Symptomen wie Konzentrationsproblemen, Schwindel und Erschöpfung, waren sich aber ihrer eingeschränkten automatischen Temperaturkontrolle nicht bewusst.
Verschiedene Studien haben bereits gezeigt, dass Menschen mit Depression Schwierigkeiten haben, ihre Körpertemperatur zu regulieren. Speziell ist davon das Abkühlen betroffen. Die sogenannte Thermoregulation kann sowohl durch das autonome Nervensystem als auch durch unser Verhalten erreicht werden. So werden bei Temperaturanstieg Blutgefäße durch den Hypothalamus geweitet und Schwitzen zur Abkühlung ausgelöst. Unser Verhalten bei zu hohen Temperaturen wird vermutlich durch die sogenannte Insula im Gehirn kontrolliert, die dazu führt, dass wir kühlere Räume suchen, für leichtere Kleidung sorgen und, wenn möglich, Ventilatoren und ähnliches anschalten. Menschen mit Depression scheinen weniger stark zu schwitzen und entwickeln höhere Temperaturen im Mund, zeigten Forscher bisher. Die automatische Temperaturkontrolle ist also eingeschränkt. Aber sind Betroffene sich dessen bewusst? Ziel der vorliegenden Studie von Psychologen in Zürich (Schweiz) war es, zu ermitteln, ob Menschen mit Depression wahrnehmen, dass ihre Temperaturkontrolle nicht genügend funktioniert, wie sich dies körperlich auswirkt und ob Faktoren wie frühkindlicher Stress hierbei eine Rolle spielen.
Zu wenig Schwitzen, zu hohe Körpertemperatur: Schlechte Thermoregulation bei Depression
Gesunde Teilnehmer wurden dazu online befragt. Mit Hilfe des Patient Health Questionnaire ermittelten die Forscher, welche der Teilnehmer eher depressiv oder nicht depressiv waren. In weiteren Fragen wurde die Wahrnehmung der autonomen (z. B. Schwitzen) und Verhaltens-Thermoregulation (weniger Kleidung und Raumkühlung) sowie Aufmerksamkeitsprobleme bei Temperaturzunahme untersucht. Die Wissenschaftler untersuchten zudem mit einem Fragesatz zu Kindheits-Traumata, ob Stress in der frühen Kindheit eine Rolle bei der Temperaturregulation spielt.
Nehmen depressive Menschen war, dass sie schlecht mit Hitze klarkommen?
Insgesamt 672 Menschen nahmen an der Befragung teil. Nach Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Körpergewicht (BMI) und körperlicher Aktivität unterschiedene sich depressive und nicht-depressive Teilnehmer nicht in ihrer erlebten Temperaturkontrolle bei Zunahme der Temperatur. Allerdings berichteten Menschen mit Depression größere Probleme mit der Konzentration oder von Schwindel und Fatigue, wenn es zu warm war (p = 0,029). Ebenso betraf dies die Menschen verstärkt bei starker körperlicher Aktivität (p = 0,029) und bei Stress (p < 0,001). Es zeigten sich allerdings keine Unterschiede je nachdem, ob die Teilnehmer frühkindlichem Stress ausgesetzt waren oder nicht. Die Unterschiede zwischen depressiven und nicht-depressiven Menschen standen außerdem nicht in Zusammenhang mit Begleiterkrankungen, Medikationen oder körperlicher Fitness.
Konzentrationsprobleme, Erschöpfung bei hohen Temperaturen oder Sport
Menschen mit Depression leiden demnach stärker unter höheren Temperaturen mit Symptomen wie Konzentrationsproblemen, Schwindel und Erschöpfung. Einschränkungen in der autonomen Thermoregulation sind somit ein spürbares, belastendes Problem für depressive Menschen, wenn sie auch nicht konkret wahrnehmen, dass ihre automatische Regulation der zu hohen Körpertemperatur eingeschränkt ist. Weitere Studien sollten nun ermitteln, ob bestimmte andere Symptome der Depression, wie etwa Schlafstörungen, mit der eingeschränkten Thermoregulation in Zusammenhang stehen.
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Autor: von Salis, S., Ehlert, U., & Fischer, S. (2021). Altered Experienced Thermoregulation in Depression—No Evidence for an Effect of Early Life Stress. Frontiers in Psychiatry, 12. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2021.620656
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